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8. GRIECHENLAND

Wir sind im 4. Land unserer Reise angekommen. Warum wir zwischen Klöstern, Götter und Orakel in Griechenland ziemlich kalte Füsse bekommen und Athen ein Bikeparadies ist, findet ihr hier heraus. 

Wir gehen an einem verhangenen Sonntagmorgen in Igoumenitsa von Bord unserer Fähre. Guten Morgen Griechenland! Doch ausser ein paar streunenden Hunden und drei älteren Herren im Kaffee am Pier scheint sich die Stadt noch im Tiefschlaf zu befinden...Zwei Kaffee mit Sesamringen (sogenannten Koulouri) später haben wir zwar einen neuen Lieblingssack, aber immer noch nicht mehr Gesellschaft. Also radeln wir weiter auf der Suche nach den anscheinend raren Griechen. Aber hier gibt es hauptsächlich einsame Strände, paradiesische Campspots und leere Strassen, die jedes Radlerherz höher schlagen lassen! 

Nach dem Strandprogramm widmen wir uns wieder unserer Lieblingsbeschäftigung: Höhenmeter sammeln. Wer denkt Griechenland sei flach, irrt (wie wir) gewaltig. 5500 Höhenmeter und mickrige 270km trennen uns von unserem nächsten Ziel. Auf halber Strecke müssen wir jedoch in Ioannina einen Zwischenstopp einlegen. Erneut ist etwas an Tanias Fahrrad kaputt gegangen. Glücklicherweise gibt es in dem hübschen Städtchen am Pamvotida See, wo die osmanische Zeit mit dem Grab des legendären Ali Pascha noch etwas weiter lebt, auch einen sehr gut ausgestatteten griechischen Veloshop. Die gebrochene Speiche wird im Handumdrehen ersetzt und wir können uns der Lieblingsbeschäftigung der Griechen, dem Kaffee trinken, widmen bevor wir den zweiten Teil unserer Gebirgsetappe in Angriff nehmen. 

Über das Bergdorf Metsovo mit kleinem Skigebiet erreichen wir den 1700m hohen, wunderschön einsamen Katarapass. Von hier können wir in weiter Ferne den Olymp, in der griechischen Mythologie auch als Thron der Götter bekannt, sehen. Ein wenig Heimweh bekommen wir beim Anblick der eingeschneiten Berge schon... 

Nachdem der Pass geschafft ist, rollen wir runter nach Kalambaka. Die im 10.Jahrhundert erbauten Klöster von Meteora im Pindos Gebirge sind unsere nächste Destination. Mönche errichteten auf bizarren Sandsteinfelsen ihre einzigartigen Siedlungen, um Gott nahe zu sein. Vielleicht hat aber auch die atemberaubenden Aussicht bei der Standortsuche mitgeholfen... Und so thronen die Klöster heute noch über der Ebene und ziehen täglich zahlreiche Touristen an. Ob Gott bei diesem Rummel auch noch ab und zu vorbeischaut?!

Doch nicht nur der tolle Anblick hat uns nach Meteora gelockt. Auf der anderen Seite der Klöster verstecken sich abseits des Touristenrummels ein paar tolle Mountainbiketrails. Morgens Kulturprogramm, nachmittags Biken! Einfach perfekt! Dass die Wege so gut gepflegt sind, verdankten sie dem "Meteora Race" , wie uns der Dorfpolizist alias Cheforganisator des Rennens, erklärt (Tourdaten Meteora). Leider verschlechtert sich das Wetter und unterbricht somit unseren Flow. Oder waren es doch eher die 5 platten Reifen, die wir uns wegen all den Dornen eingefahren haben? Es ist auf alle Fälle Zeit für eine kleine Pause! Wir quartieren uns in einem Hostel ein, wo wir einen Schlafsaal mit Marco aus Italien und im gemütlichen Aufenthaltsbereich viele Fahrrad Geschichten mit ihm teilen können. 

Frisch geduscht und wohlgenährt ziehen wir weiter. Der Herbst holt uns langsam ein. Nebel am Morgen, tagsüber Sonne und Nächte, in denen wir dankbar für unsere warmen Schlafsäcke sind. Vorbei an abgeernteten Baumwollfelder, deren Überbleibsel den Strassenrand wie ein Wattemeer aussehen lassen, radeln wir das erste Mal in Griechenland einfach flach durch eine intensiv landwirtschaftlich genutzte Ebene gerade aus bis wir die Ägäis erreichen. Nun befinden wir uns zwischen Meer und dem eingeschneiten Olymp. Wer kann erraten, wo es uns jetzt hinzieht?

Litochoro, am Fusse des mächtigen Olymps, wird zu unsem nächsten Basecamp. Wir erkunden in den tieferen, schneefreien Regionen ein paar mehr oder weniger spassige Trails, die leider meist unter Laub und unzähligen Stacheln und Dornen versinken. Unsere Plattenstatistik explodiert und wir beschliessen, gar nicht mehr mitzuzählen...(Tourdaten Litochoro)

Doch ohne einen Versuch den Olymp zu besteigen, wollen wir nicht abreisen. Zuerst noch optimistisch mit dem Fahrrad, dann einsichtig zu Fuss erklimmen wir Höhenmeter um Höhenmeter. Göttervater Zeus lässt uns bis auf 2500m vordringen, dann verwehrt er uns den Zutritt zum Gipfel des 2918m hohen Mytikas. Die Schneemassen werden zu gross und ohne geeignetes Equipment (wir zählen Bikeschuhe mal nicht dazu...) ist der Götterthron unerreichbar für uns. Die Sonne verschwindet hinter dem höchsten Berg Griechenlands und wir stapfen durch den Schnee zurück zur verlassenen Petrostrouga Hütte auf 1900m, wo wir im Winterraum übernachten und unsere kalten und nassen Füsse am eingeheizten Ofen wärmen können. Die Rückkehr ins Tal ist zuerst biketechnisch ein Desaster. Erst auf ca. 1500m wird der Weg zu einem Trail, den man auch als solchen bezeichnen kann (Tourdaten Petrostrouga). Aber die Übernachtung und der Aussicht von der Petrostrouga Hütte auf einerseits eingeschneite Berggipfel und andererseits das Meer wird uns trotzdem als wunderschöne Erinnerung bleiben. 

Nach der Kälte fahren wir zurück an die Wärme und verbringen in Stomio zwei schöne Tage am Strand, biken einen langen, aber auch lange nicht mehr unterhaltenen Trail und lassen die Seele baumeln, eigene Strandbar und Dusche inklusive! Dass die Biketour nicht zu den Besten zählt, gerät so schnell wieder in Vergessenheit (Tourdaten Stomio Amanita Trail). 

Wir verlassen unser kleines Paradies und nehmen Kurs Richtung Athen auf. Wieder zeigt sich Griechenland von seiner hügligen Seite. Und nun kommt zum ersten Mal (!) seit unserem Reisestart Mitte August eine Schlechtwetterphase. Wir radeln 2 Tage durch zeitweise ziemlich intensiven Regen. Nach einer 112km langen Tagesetappe mit bescheidenen 800 Höhenmeter kommen wir bei Anbruch der Dunkelheit etwas unterkühlt in Thermopyles an. Hier hat 450 vor Christus die Schlacht des spartanischen Königs Leonidas gegen die Perser, stattgefunden. Leonidas verlor nicht nur die Schlacht, sondern auch sein Leben. Fürs erste interessiert uns weder dieser geschichtliche Hintergrund noch unser Abendessen. Gleich nebenan gibt es eine frei zugängliche Quelle, in der wir uns bei 40°C wieder aufwärmen können. Unter Sternenhimmel geniessen wir das heisse Bad und fühlen uns wie im Wellnessurlaub!

Was natürlich bei einer Reise durch Griechenland auf keinen Fall fehlen darf, ist ein Besuch der zahlreichen antiken Ausgrabungsstätten. Seit ihrer Kindheit ist Tania ein grosser Fan der griechischen Mythologie und hat ihre Familie schon damals genötigt, verfallene Göttertempel und Co anzuschauen. Auch Joos bleibt davon nicht verschont. Unser Weg führt (natürlich über unzählige Hügel) weiter nach Delphi, dem Orakel des Apollon. Am Fusse des momentan eingeschneiten Parnass Gebirges, inmitten von tausend silbrig glänzenden Olivenbäumen wurde durch Pythia, das Sprachrohr Apollons, sein Rat verkündete. Auf unsere Frage, ob sich das Wetter bald wieder bessert, wusste sie keine Antwort. Und 10 Minuten später hat es wieder wie aus Kübeln gegossen... Als Wettervorhersage scheint das Orakel nicht geeignet zu sein. 

Ab jetzt bekommen wir die herbstlichen Temperaturen jeweils morgens und abends zu spüren und wir versuchen solange wie möglich in Bewegung zu bleiben. So erreichen wir schnell Athen, die griechische Hauptstadt. Wir lassen sie und die berühmte Akropolis zuerst links liegen und quartieren uns ausserhalb, am Fusse des Berges Hymettos ein. Von hier hat man erstens einen wunderschönen Überblick über die weisse Metropole (vor allem bei Sonnenuntergang) und zweitens gibt es hier ein unglaublich tolles Trailnetz im Pinienwald. Wir sind mehr als verblüfft über den Top Zustand der Bikewege. Anscheinend wird hier seit ca. 5 Jahren sehr viel Zeit und Arbeit in den Unterhalt investiert, wie uns ein einheimischer Biker erklärt (Tourdaten Athen Hymettos). Wir sind begeistert! Mountainbiken mit Ausblick auf die Akropolis, einfach unbezahlbar!

Nach zwei Tagen biken von früh bis spät ist es an der Zeit, unser Zelt im Wald abzubrechen und uns endlich durch den Verkehr in den Stadtkern zu kämpfen. Was wir anfangs in Griechenland nicht gefunden haben, nämlich Menschen, gibt es hier zu Hauf. Kein Wunder! Mehr als die Hälfte der 10 Millionen Griechen, wohnen in der Hauptstadt und deren Agglomeration. Wir quartieren uns in einem Hostel ein und tauchen ein in die Jahrtausend alte Geschichte dieser unglaublichen nach der Göttin Athene benannten Stadt. Von den Philosophen Sokrates, Platon, und Aristoteles, der Akropolis, über drakonischen Gesetze und Orgien, der ersten Demokratie der Welt und neuzeitliche Konflikte mit den Türken, Griechenlands Bankrott und Zukunftsaussichten erfahren wir bei einer Free Walking Tour fast mehr als wir uns merken können. Auch kulinarisch sind wir im siebten Himmel. Koulouri Fabrik, Pita Gyros, Moussaka (Aubergine-Hackfleisch Lasagne) und griechischer Wein! Wir fühlen uns göttlich! 

Nach 945 km und 12000 Höhenmeter auf dem griechischen Festland wird es Zeit, weiterzuziehen. Die nächste Bootfahrt steht an. Wir werden Griechenland aber noch nicht ganz verlassen. Wo es hingeht, erfahrt ihr beim nächsten Mal. 

Reisedaten: 6.11-30.11.2022

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Kommentare: 3
  • #1

    Beatrice (Donnerstag, 01 Dezember 2022 15:08)

    Bin mal wieder einmal mehr begeistert von deinen Texten, Bildern und Geschichten.
    Top �
    Alles Liebe aus Davos
    André und Beatrice

  • #2

    Trea (Montag, 05 Dezember 2022 01:10)

    Kann ich nur beipflichten...
    Euer Blog ist ein Genuss.

    Danke.
    Passt auf euch auf.
    Grüsse aus den thüringer Wald

  • #3

    Claudia (Apotheke) (Freitag, 23 Dezember 2022 21:32)

    Wünsche euch frohe Weihnachten und einen guten Start ins 2023!!��
    Freue mich schon wieder auf tolle Bilder und eure Storys zu lesen�
    Liabi Grüassli & hebend Sorg..