Wir sind in unserem nächsten Reiseland angekommen. Warum die Erde ewig brennt und was die Jakobshorn Gondel in der Türkei zu suchen hat, erfahrt ihr hier.
Von Kos schippern wir in 30 Minuten übers Meer nach Bodrum. "Dank" Zeitverschiebung ist es in der Türkei eine Stunde später und bereits dunkel. Deshalb lassen wir die touristische Grossstadt schnell hinter uns und suchen uns etwas ausserhalb einen Zeltplatz. Ausgeschlafen passieren wir am nächsten Morgen die ersten Minarette und bilden uns ein, beim Vorbeifahren vom Muezzin ein freundliches "Gooooooood moooooooorniiiiiing" aus dem Lautsprecher zu vernehmen. Diese bis zu fünf mal täglich abgehaltenen Gesangsdarbietungen ersetzen ab sofort pünklich um sieben Uhr unseren Wecker. Hochmotiviert radeln wir am ersten Tag eine stolze Strecke von 100km und staunen nicht schlecht über die drei anderen Zelte und fünf Radfahrer (plus zwei Kinder), die per Zufall denselben Ort zum Übernachten ausgesucht haben. So verbringen wir mit Peter, Luna, Tobi und einer französischen Familie einen wunderschönen Abend am Lagerfeuer und tauschen eifrig Erlebnisse aus. Was für ein herrlicher Start in der Türkei!
Obwohl wir am nächsten Morgen alleine losradeln, bleiben wir dies nicht lange. Wir treffen auf den Spanier Alberto, der sich auf dem Rückzug aus dem Iran befindet und unsere Vermutungen über die nicht mehr ganz so radreisefreundlichen Verhältnisse dort bestätigt. Nachdem wir eine Weile an der wunderschönen Küste weitergefahren sind, biegen wir ins Landesinnere ab und erreichen den Köycegiz See mit seinen natürlichen warmen Sulfurquellen. Auch hier sind wir nicht alleine. Ein Iraner und zwei ältere Türken überwintern in ihren Wohnmobilen neben den Pools und unterhalten uns am Feuer mit iranischer Musik und philosophischen Exkursen über den Berg Ararat, der wieder (wie bei Noahs Arche) Zuflucht und Rettung der ganzen Menschheit werden soll. Die Schwefeldämpfe scheinen den Herren auf Dauer nicht gut zu tun...
Es gibt drei Dinge, die man über die Türken wissen muss. 1. Sie lieben Camping, 2. sie lieben Picknick und 3. sie sind sehr hilfsbereit! Das bedeutet für uns: einen einsamen Campspot zu finden ist nahezu unmöglich, dafür ist unsere Vitamin- und Kalorienzufuhr durch die frischen Orangen, das Brot und die vielen Tees, die wir ständig von wildfremden Menschen geschenkt bekommen, gesichert. Wir sind einfach sprachlos über die Gastfreundschaft der Türken!
Wir passieren Dalyan mit seinen imposanten Felsengräber und erreichen eine ziemlich überbevölkerte Wohnwagen-Kommune am Karaot Strand kurz vor Fethiye. Langsam aber sicher sehnen wir uns nach etwas mehr Privatsphäre... Als Stark-Regen prognostiziert wird, entfliehen wir der Menschenmenge und der drohenden Sintflut und quartieren uns in Fethiye in einem 12 Euro billigen Appartement ein. Zur Feier der wiedergefundenen Zweisamkeit gönnen wir uns ein Abendessen in einem Restaurant indem es ganz unkompliziert nur drei Gerichte zu Auswahl gibt. 200, 400 oder 1000 Gramm Cig Köfte... Etwas komplizierter ist der Verzehr der würzigen, vegetarischen Bulgurbällchen, die man mit Salat und Granatapfelsauce in ein hauchdünnes Fladenbrot einwickeln soll...unser Festmahl endet in einer kleinen Sauerei aber sogar Tania ist begeistert von dem köstlichen türkischen Fastfood.
Das Wetter stabilisiert sich und es wird wieder knapp 23 Grad warm. Unsere "Sommerferien" gehen am berühmten und wunderschönen Ölüdeniz Beach in die nächste Runde und wir geniessen einen gemütlichen, einsamen Abend am Lagerfeuer mit Sicht über das bezaubernde Schmetterlingstal. Dann trennt uns noch eine Bergetappe, die uns kurz in die Nähe verschneiter Gipfel bringt, von den Sanddünen am Patara Beach. Hier wird unser Sommerfeeling jedoch jäh durch den nahenden Sturm, dessen Donner sogar den Ruf des Muezzins übertönt, beendet. Zum Glück wurde unsere Arche/Zelt in der Nacht nicht fortgeschwemmt...
Mit tropfend nassem Equipment pedalieren wir durch endlose Tomatengewächshäuser und auf einer schönen Küstenstrasse Richtung Kaş. Unterwegs gesellt sich der Radreisende Peter mit seinem tiefschwarzen britischen Humor zu uns. Seit der Krise im Iran sind viele Fernradler in der Türkei gestrandet und daher erstaunt es nicht, dass im Städtchen auch noch Frazer, der mit St. Pauli Socken und T-Shirt seine schottische Herkunft etwas verfälscht, zu unserem Grüppchen stösst. Ein gemeinsamer Sonnenuntergang beim Amphitheater, ein leckeres Abendessen und ein Bier runden den Tag ab. Am nächsten Morgen trennen sich unsere Wege. Mit einer Extraschlaufe über das Hafenstätdchen Kekova fahren wir weiter nach Demre.
Nun folgte so etwas wie das Paradies eines jeden Radreisenden. Der Küstenabschnitt nach Demre ist wild, offeriert ab und zu einen Blick auf verschneite Berge im Hinterland und bietet perfekte, einsame Wildcampingspots, die wir dummerweise alle auslassen. Tania will nämlich die (eher verwahrlosten) Ausgrabungen der aus dem 2. Jahrhundert vor Christus stammenden lykischen Stadt Olympos direkt am Meer besichtigen. Und das ist...naja...nicht ganz so spektakulär, wie gedacht...
Weitaus spannender ist das seltene, jahrtausendealte Naturphänomen, das sich hinter der Stadt abspielt. An mehreren Stellen züngeln ewigbrennende Flammen aus dem Berg. Verantwortlich dafür soll das feuerspeienden Fabelwesen Chimera mit Löwen- und Ziegen- und Schlangenkopf sein. Es wurde vom Helden Bellarphontes und dem geflügelten Pferd Pegasus besiegt und im Berg eingesperrt, wo man heute noch seinen feurigen Atem spüren kann. Die weniger sagenumwobene Ursache für die Feuer ist entweichendes Methangas, das sich vor einer halben Ewigkeit aus noch ungeklärten Gründen entzündet hat. Joos bekommt ein Pupsverbot, nicht dass er plötzlich spontan in Flammen aufgeht...
Für die nächsten 30 km (bergab!) brauchen wir dann fast vier Stunden. Ein Platten jagt den nächsten, ein Strassenreifen landet mit einem unreparierbaren Riss direkt im Müll und die Gummidichtung der Fahrradpumpe ist im Eimer. Da wäre sie wieder. Unsere "Material-geht-kaputt" Pechsträhne. Auch unser ausgesuchte Campspot in der Nähe der Stadt Kemer, hebt die Stimmung anfangs nicht. Von Einsamkeit wieder einmal keine Spur! Es ist Wochenende und wie gesagt, die Türken lieben erstens Campen und zweitens Picknick...Der Strand ist heillos überfüllt! Aber die Türken sind drittens eben auch sehr hilfsbereit und gastfreundlich und so kommt es, dass wir mit Ramazan und einigen anderen das Wochenende am Lagerfeuer verbringen und von ihnen im grossen Stil bekocht und mit dem übriggeblieben Essen beschenkt werden.
Da ein Fahrrad aus genannten Gründen bereits auf Stollenreifen umgerüstet werden musste, wechseln wir auch beim zweiten Fahrrad die Pneus. Der Grund: hinter der Stadt Kemer kann man biken. Und zwar mit Bahnunterstützung! Die Kopie der Jakobshorngondelbahn bringt uns auf die Kopie des Weissfluhgipfel alias Tahtali, stolze 2365m hoch. Die Ähnlichkeit mit den Bergbahnen bei uns in Davos ist verblüffend, wir fühlen uns fast wie zu Hause! Vom Gipfel haben wir exakt 2365 Tiefenmeter bis ans Meer vor uns. Der Trail ist rollig, manchmal unfahrbar und nicht immer spassig aber er bietet eine atemberaubende Aussicht auf die leicht verschneiten Berge im Hinterland (Tourdaten Tathali). Wer hätte gedacht, dass wir in diesem Jahr nochmals einen alpinen Trail fahren werden?!
Wir nehmen nicht nur von Ramazan Abschied, sondern lassen auch die Küste und somit die wärmeren Temperaturen hinter uns. Nach einem letzten Schwumm im Meer pedalieren wir vorbei an Disneyland ähnlichen Hotelkomplexen ins Landesinnere nach Aspendos. Die Ausgrabungungen aus dem 2.-3. Jahrhundert vor Christus sind weitaus besser im Schuss, als die in Olympos und das Amphitheater gehört zu den weltweit schönsten und besterhaltesten der Antike. Hoffentlich haben die scheusslichen Luxusresorts rund um Antalya keine solch lange Lebensdauer...
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Beatrice (Freitag, 06 Januar 2023 20:48)
Wie cool ist das denn… dire Türken… glaubt man gar nicht…
Ich wünsche euch ein schönes und glückliches neues Jahr zu zweit auf eurer Tour. Bleibt gesund und ich freue mich schon wieder auf deine Erzählungen und Bilder. Herzlichst Beatrice