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15. ISRAEL WÜSTE NEGEV

Im zweiten Teil unseres Bikepackingabenteuers durchqueren wir die Wüste Negev. Was Thailand damit zu tun hat und warum die Wüste mehr zu bieten hat, als man denkt, erzählen wir euch hier. 

Der Israel Bike Trail führt uns weiter in die Wüste Negev. Sie erstreckt sich über den südlichen Teil des Landes und wird eine Herausforderung für uns. Die Abstände zwischen den Verpflegungsmöglichkeiten werden länger, die Fahrradgabeln zum Wassertransport umfunktioniert und wir kämpfen gegen Hitze, Durst und Schlamm. 

Zuerst schlängelt sich der Weg durch das wunderschöne Wadi (=Flusstal) Petezim dessen weisse Kalksteinwände in der Sonne leuchten. Bei so vielen Verzweigungen kann man schnell die Orientierung verlieren und kaum sind wir aus diesem Wadi raus, befinden wir uns bereits im Labyrinth des nächsten. Da kommt Joos beim Navigieren richtig ins Schwitzen, oder liegt es doch eher an der Hitze? 

Unsere Wadi Tour geht weiter. Über das Wadi Hazara erreichen wir das wilde, felsige und steile Wadi Zin. Das Highlight sind die hier entstandenen Pools, die auch bei langen trockenen Phasen immer etwas Wasser führen und an heissen Tagen ein idealer Rastplatz sind. Die lang ersehnte Abkühlung kommt für uns aber hauptsächlich von oben. Für Israelis ist Regen in der Wüste ein aussergewöhnliches Spektakel. Ob man das, wie sie behaupten, als Glück bezeichnen kann oder nicht, sei dahingestellt. Für uns bedeutet der Regen nämlich vor allem Hochwasser, Schlamm und die Gefahr von Springfluten! Wir brauchen eine gefühlte Ewigkeit, um aus dem überfluteten und matschigen Flussbett zurück auf eine befestigte Strasse zu finden, die uns dann über den Scorpion Anstieg auf die andere Seite des nächsten Wadis bringt. 

Müde und vor allem klatschnass stellen wir unser Zelt bei den "Colorful Sands" auf. Der ebenfalls hier rastende Bus mit den jungen israelischen Soldaten entpuppt sich gegen unseren Erwartungen als wahrer Segen. Die junge Truppe entfacht ein wärmendes Feuer und bereitet uns ein superleckeres Abendessen zu. Zum Frühstück präsentieren sie ein 5 Sterne Deluxe Buffet mit allem was das Herz begehrt und in ihrem Reisecar befindet sich ein halber Supermarkt mit unschlagbaren Preisen. Wir dürfen uns gratis bedienen! Da das Essen in Israel unglaublich teuer ist, überladen wir unsere Rucksäcke gnadenlos... Leider werfen sie die ungeöffneten (!!!) übrigen Sachen ohne mit der Wimper zu zucken in den Müll! Uns blutet das Herz! Ein paar geschlossene Joghurts, Fleisch und Käse kann Joos aus der Tonne fischen und wir teilen unsere Beute mit dem streunenden Hund, der wahrscheinlich für die nächsten Tage nichts mehr zu futtern braucht... Unsere Gefühle nach dieser Begegnung sind gemischt. Einerseits haben die jungen Leute bedigungslos ihre Hilfe angeboten und uns mehr als grosszügig beschenkt, andererseits können wir den achtlosen und für uns unverständlichen verschwenderischen Umgang mit Essen einfach nicht gutheissen! Es ist und bleibt eine kontroverse Welt. 

In einer unglaublich farbenfrohen Landschaft radeln wir durch den "Grossen Krater", einen sogenannten Makhtesh, weiter. Diese weltweit einzigartigen geologischen Erscheinungen sind durch Erosion entstanden, als der Negev vom Ozean zur Wüste wurde. Man findet sie nur in Israel und auf der Sinaihalbinsel. Von dem Riesenkrater führen die wunderschön angelegten Singletrails über Sde Boker weiter zum En Avdat Nationalpark, indem das Wasser über Jahrtausende eine tiefe Schlucht in den weichen Kalkstein geschnitten hat. Wieder sind wir verzaubert von der Diversität, die uns die Wüste Negev täglich zu bieten hat. 

Auf heissem Asphalt und schönen Trails errreichen wir, vorbei an ziemlich verwahrlosten Beduinensiedlungen, Mitzpe Ramon. Das Städtchen ist Heimat von zahlreichen jüdischen Hippies. Es werden Yogaklassen, vegan Food und Musikkurse in jüdischer Manier und zu unverschämten Preisen angeboten. Irgendwie können wir diese Vibes nicht ganz fühlen. Vor allem weil die bewaffneten Soldaten der sich neben dem Dorf befindenden Militärkaserne so gar keine relaxte Atmosphäre vermitteln...

Viel interessanter ist hingegen der eindrückliche Makhtesh Ramon, der grösste Erosionskrater der Welt (auch Grand Canyon Israels genannt), und natürlich die superleckere Ovomaltine Schokolade, die wir von einer deutschen Touristin geschenkt bekommen🤤. Ein Traum auch im geschmolzenen Zustand! Unser Zelt stellen wir ausserhalb der Stadt direkt am Kraterrand auf, sehen den ägyptischen Geiern zu, wie sie sich mit der Thermik langsam in die Höhe tragen lassen, beobachten die nubischen Steinböcke, die flink in der Felswand herumklettern und geniessen die spektakuläre Aussicht über den Krater. Wären da nicht die Düsenjets, die ständig durch die Wüste fliegen, könnte man fast meinen, man befinde sich auf einem anderen Planeten. 

Der Israel Bike Trail schlängelt sich wunderschön am Kraterrand des Makhtesh Ramon entlang bevor er hinunter in den Canyon führt. Im Frühling verwandelt sich die karge Landschaft für kurze Zeit in ein buntgesprenkeltes Blumenmeer. Doch bereits nach wenigen Wochen verwelken die Pflänzchen unter der gandenlosen Wüstensonne wieder. Unser Timing ist perfekt und neben der schönen Flora können wir auch Kamele, Gazellen, nubische Steinböcke, ägyptische Geier und asiatische Wildesel beobachten. Da soll mal einer sagen, die Wüste sei tot!

Auf abwechslungsreichen Trails und vorbei an den Ruinen von alten Forts folgen wir der alten Weihrauchroute, welche vom alten Persien ans Mittelmeer führte. Wir versuchen uns die Kamelkarawanen vorzustellen, die hier früher wertvollen Güter transportiert haben. Vielleicht haben auch sie mit dem Sand, der Hitze und dem Regen, der den trockenen Boden in sekundenschnelle in ein Schlammdesaster verwandelt, gekämpft. Heutzutage wurden die Kamelkarawanen durch Jeepsafaris ersetzt und statt Weihrauch wird Whiskey, der uns netterweise direkt an unseren Schlafplatz in eines der verlassenen Forts geliefert wird, transportiert. Wir hoffen nur, dass es sich nicht um Schmuggelware handelt... 

Auf den schön angelgten Trails Richtung Yahel haben wir plötzlich Gegenverkehr. Auf der Israel Bike Challenge wird die Strecke in entgegengesetzter Richtung von Süd nach Nord bewältigt. Avi und Zevi geben uns wertvolle Tipps zu kommenden gratis Schlafplätzen, sogenannten Khans, mit dem raren fliessend Wasser. An heissen Tagen wie diesen, gibt es nichts Besseres als eine Dusche, um endlich den Staub und Schweiss von der Haut zu waschen. Und da wir die grössten Glückspilze der Welt sind und es in der Wüste erneut regnet, sind wir über unseren trockenen und hochwassersicheren Schlafplatz im Kahn im Kibbuz Paran doppelt dankbar... 

Die jüdischen Kibbuze sind und bleiben für uns eine Kuriosität. Sie sind mit einem Zaun abgesperrt und die Menschen innerhalb leben abgeschottet von der Aussenwelt. Es gibt keinen Durchreiseverkehr, keine Restaurants und höchstens einen kleinen Supermarkt. Die Kibuzze basieren auf der Idee von einem kollektiv organisierten Leben in genossenschaftlichen sozialistischen Siedlungen mit gleichaussehenden Häuser und ohne Privateigentum. Jüdischer Kommunismus sozusagen... Die in der Gemeinde lebenden Juden sind Rückkehrer aus allen möglichen Teilen der Erde, ihre ursprünglichen Bräuche und Lebensweisen werden einfach in Israel weitergelebt. So gibt es optisch und kulturell nicht nur den einen Israeli. In Paran staunen wir nicht schlecht über die vielen Thailänder, die wir im mit thailändischen Produkten ausgestatteten Supermarkt antreffen... Wir sind wohl an irgendeiner Kreuzung falsch abgebogen... 

Als die Schlechtwetterphase durch ist, pedalieren wir weiter. Doch nach dem Regen bedeutet vor dem Schlamm. Schon nach wenigen Metern sind unsere Reifen komplett zugepappt und die Räder drehen nicht mehr. Mühsam schieben wir unsere Bikes durch den Matsch. Es dauert eine halbe Stunde, um die Räder anschliessend von der lehmigen Masse wieder freizubekommen. Erst als es abtrocknet, kommen wir wieder besser voran und schaffen auf lässigen Trails doch noch 80 Kilometer. Als Tagesabschluss gibt es einen wunderschönen Sonnenuntergang und einen fantastischen Zeltplatz mit Sicht auf die Berge im fernen Jordanien. 

Auf den Schlamm folgt am nächsten Tag Sand! Auch nicht viel besser... Wir bleiben wortwörtlich darin stecken und müssen uns jeden Meter erkämpfen. Sand, loser Kies, der erste und einzige Platten der Reise und ein fast aufgebrauchter Wasservorrat bringen uns an unsere Grenzen... Mit Müh und Not erreichen wir auf den anstrengen Wegen die nächste Wasserstelle, wo wir erschöpft unser Zelt aufstellen. 

Auf den letzten Etappen häufen sich die Begegnungen mit Weitwandern. Es sind hauptsächlich junge Israelis, die nach ihrem Militärdienst mit Rucksack und Zelt durch das Land ziehen bevor sie ihre Backpacking Tour durch Asien oder ihr Studium antreten. Damit Wanderer und Biker sich nicht in die Quere kommen, wurden verschiedene Routen angelegt. Trailentflechtung par Excellence! Und die Biketrailbauer verstehen etwas von ihrem Handwerk. Die Routen durch den Timna Nationalpark sind nicht nur wegen der Mars-ähnlichen Landschaft, den 4000 Jahre alten ägyptischen Kupferminen und Hieroglyphen sondern auch aufgrund der spassigen Trails ein wahres Vergnügen! 

Die letzten Kilometer auf dem Israel Bike Trail brechen an. Der Tag ist drückend heiss und unsere Kleider sind nach kurzer Zeit total durchgeschwitzt... Doch dann haben wir es geschafft: am Horizont sehen wir etwas blaues aufblitzen! Wir sind einmal durch die Wüste Negev geradelt und in Eilat am Roten Meer angekommen! An der kurzen Strandpromenade springen wir in das angenehm temperierte Meer, geniessen den Komfort der gratis Duschen und gönnen uns zur Belohnung ein Gelato und DREI Falaffeln! Und gleich neben den fancy Hotels, an der jordanischen Grenze, finden wir den perfekten Campspot am Strand, um uns von unserer Wüstendurchquerung zu erholen. 

Da wir eine kleine kulturelle Exkursion geplant haben, müssen unsere Fahrräder für zwei Wochen eingestellt werden. Avi, den wir auf dem Israel Bike Trail kennengelernt haben, kontaktiert per WhatsApp die ganze Bike Community um ein geeignetes Plätzchen für unsere Velos zu finden. Am Ende meldet sich David, der in Eilat wohnt, bei uns. Er arbeitet im National Marine Institut und so werden unsere Fahrräder neben Seeigel- und Seeschnecken Becken deponiert, wir bekommen eine exklusive Führung durch das Gelände und reisen anschliessend mit den  öffentlichen Verkehrsmittel weiter. 

Wohin unser Weg uns führt und wie uns das Leben als Rucksacktouristen gefällt, erzählen wir euch beim nächsten Mal. 

Reisedaten 19.3 - 31.3.2023


Unser Fazit vom Israel Bike Trail


Sand, Schlamm, loser Kies, Hitze und Regen haben es uns nicht immer leicht gemacht und uns an unsere Grenzen gebracht. Doch niemals hätten wir gedacht, dass uns die Wüste so gefallen würde! Landschaftlich sicherlich eines unserer absoluten Highlights. Erstaunt hat uns vor allem die Qualität der Singletrails. Die Trailbauer verstehen etwas von ihrer Arbeit! Der Weg ist gut ausgeschildert und super unterhalten. Jede Etappe beinhaltet Singletrails und Kieswege, Asphalt sieht man fast nie. Ein Bikepacking Traum. Nur der Nahrungsmittel- und Wassernachschub war nicht immer ganz einfach zu organisieren. Auch ist es uns schwer gefallen, die isrealische Kultur zu verstehen. Die Menschen sind hauptsächlich freundlich und hilfsbereit aber ganz schlau sind wir aus ihnen nicht geworden...

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