Obwohl unsere Reise momentan auf Eis gelegt wurde und sich die Ereignisse gerade überschlagen, wollen wir euch den Bericht zu Jordanien nicht vorenthalten.
Nach unserem Kurzurlaub in Ägypten, schwingen wir uns wieder in den Fahrradsattel. Warum Hunde nicht mehr unsere Hauptfeinde sind und was Kinder damit zu tun haben, erklären wir euch hier.
Wiedervereint mit unseren Fahrräder strampeln wir an die israelisch-jordanische Grenze und erreichen mit einem herzlichen "Welcome to Jordan" die Stadt Aqaba. Weitaus schwieriger als der Grenzübertritt ist es, morgens um 10 Uhr eine Sim Karte und etwas zu Essen aufzutreiben. Während dem Fastenmonat Ramadan gibt es in Jordanien nämlich keine verbindlichen Öffnungszeiten... Als endlich alles erledigt ist, kämpfen wir uns in der brütenden Mittagshitze Richtung Wadi Rum.
Jordanien, das Land der tausend Berge, empfängt uns mit starkem Wind (natürlich von vorne), einem Platten nach gut 20 Kilometer und viel Aufmerksamkeit für Tania. Obwohl sie mit langen Hosen und Windjacke sittengemäss nicht zu viel Haut zeigt, fällt sie im muslimischen Land als Frau auf einem Fahrrad auf. Doch die Begegnungen sind nicht unangenehm. Im Gegenteil! Wir werden mit einem herzlichen "Salam, Welcome to Jordan!" gefolgt von einem breiten Lächeln und manchmal sogar einem Geschenk willkommengeheissen. Und dann folgen unzählige Selfies... Ohne Joos... So oft musste Tania auf der ganzen bisherigen Reise nicht für ein Foto posieren und so viele Heiratsanträge wird sie hoffentlich nie mehr bekommen... Bei dem jungen Beduinen Omar, der uns mit seinen Ziegen bei unserem Zeltplatz kurz vor Wadi Rum besucht und ihr direkt ab Euter eine Tasse Milch abzapft, hätte sie fast JA gesagt...
Wadi Rum ist nicht nur wegen des Engländers Lawrence von Arabien, der im 1. Weltkrieg gemeinsam mit den Beduinen gegen die Osmanen und nachher für die Unabhängigkeit der Araber gegen England kämpfte, bekannt. Die Wüste gehört zum Schönsten was wir bis jetzt gesehen haben. Roter Sand, kunstvolle Steinbrücken und enge Canyons versetzen uns ins Staunen. Ausgerüstet mit 15 (!) Liter Wasser pedalieren wir durch den roten Sand in dieser faszinierenden Welt, lassen uns von der goldenen Abendstimmung verzaubern und schlafen unter einem unglaublichen Sternenhimmel wie aus 1001 Nacht. Könnten wir doch nur noch etwas länger in diesem märchenhaften Beduinenland bleiben...
Aber leider zwingt uns der zur Neige gehende Wasservorrat unsere kleinen Wüstenexpedition nach zwei Tagen zu beenden. Wir folgen dem Jordan Bike Trail (Tourdaten Jordan Bike Trail) von Süd nach Nord und finden bald heraus, warum dies nicht die empfohlene Richtung ist. Unsere Downhills sind entweder auf Schotterstrassen oder noch langweiliger auf Asphalt, dafür sind unsere Anstiege mehr als fies... Wir schieben unsere Bikes immer öfter und stehen wie die Esel am Berg.
Doch unser Hauptproblem bleibt der Wassernachschub. Wir müssen täglich mindestens 5 Liter pro Person transportieren, an Duschen ist nicht zu denken. Pure Verschwendung! Nach vier Tagen "stinken" zeigt uns der Beduine Mohammed glücklicherweise einen versteckten Bewässerungsschlauch und wir kommen nicht nur in den Genuss guter Gesellschaft bei einem traumhaften Sonnenuntergang über dem Wadi Musa, sondern auch einer mehr als verdienten kalten Dusche!
Gebürstet und gestriegelt können wir uns so in das Getümmel von Petra stürzen. Bereits morgens um sechs steht man am Eingang zu der alten nabatäischen Hauptstadt an. Die Metropole wurde vor über 2000 Jahren aus dem roten Sandstein gemeisselt und ist nur über eine lange Schlucht (Siq) zugänglich. Lange wussten allein die Beduinen, die in den Überbleibsel der Metropole entlang der alten Weihrauchroute ihre Lager aufgeschlagen hatten, von ihrer Existenz. Bis 1812 als erster Westler ein Schweizer namens Johann Ludwig Burckhardt die Felsenstadt betrat. Mittlerweile zählt sie zu einem der sieben Weltwunder und ist die grösste Touristenattraktion Jordaniens.
In der Tat, der Opfertempel, das römische Theater, das Kloster, die riesigen Gräber und das berühmte Schatzhaus sind beeindruckend. Doch neben diesen von Menschenhand gefertigten Schätzen hat auch die Natur hier eine wahres Meisterwerk hinterlassen. Der Sandstein ist voller farbiger Strukturen die sich wie Wellen oder abstrakte Gemälde durch die Wände ziehen. Einfach unbeschreiblich schön!
Geblendet von all dieser Schönheit muss Tania am nächsten Tag einäugig weiterfahren. Eine lästig infizierte Augenentzündung quält sie. Glücklicherweise werden Tobradex Augentropfen in Jordanien auch ohne Rezept verkauft... Nach einigen Tröpfchen des Wundermittels strampeln wir etwas angeschlagen weiter bis zur alten Kreuzritterfestung in Shobak und Tania kann die wunderschönen Blumenfelder und edlen Schwertlilien wenigstens mit halbwegs klarer Sicht bestaunen.
Die Route des Jordan Bike Trail führt uns weiter über abgelegenen Dörfer und Beduinensiedlungen vorbei an unzähligen Kamelen und durch eindrückliche Wadis. Das ständige auf und ab ist sehr fordernd. Doch unsere grösste Herausforderung sind die Kinder. Ihre Englischkenntnisse beschränken sich auf "Hello", "What's your name", "Money" und "Fuck you". Sie kommen in Horden und lassen uns manchmal kaum passieren. Einmal wird Joos sogar sehr unsanft mit einem Stock in den Speichen gestoppt. Vor allem Jungen zwischen ca. 5 und 12 Jahren können aggressiv und oft unberechenbar werden, Mädchen und ältere Kinder sind etwas vernünftiger. Da zurechtweisende Erwachsene fehlen, ziehen wir es vor, jeweils einen grossen Bogen um diese kleinen Monster zu machen. Wer hätte gedacht, dass in Jordanien Kinder angsteinflössender sind, als kläffenden Hunde?!
Wir pedalieren weiter, düsen hinunter ins bildhübsche Dorf Dana, das stolz auf den Klippen oberhalb des Dana Nature Reserve thront und kämpfen uns auf einem der wenigen Singletrails des Jordan Bike Trails berghoch... Naja, wie schon gesagt, die andere Richtung macht definitiv mehr Sinn. Ziemlich entkräftet erreichen wir die Strasse. Die am Strassenrand gefunden Chips und Schokoriegel sind nur eine kleine Entschädigung für all die Rackerei. Dafür ist unser Campspot unter Palmen mit einem gemütlichen Lagerfeuer und einem eigenen Swimmingpool ein richtiges Highlight. Fehlt nur noch der Champagner am Beckenrand...
Am 21.4. wird das Ende des Fastenmonats Ramadans eingeläutet. Die Menschen strömen piekfein herausgeputzt auf die Strassen in die nun geöffneten Cafes und Restaurants. Es wird gefeiert und vor allem viel gegessen. Ab jetzt sind Einladungen von wildfremden Menschen alltäglich. Nachdem Karam uns eine Cola und Yoghurtdrink gesponsert hat, tischt uns Omar einen typischen Beduinen Tee (mit extra viel Zucker), Brot und Schmelzkäse auf. Kaum haben wir das alles verputzt, stoppt uns eine Familie und bringt uns Kaffee und leckere Biscuits. Ein Wunder, dass wir an diesem Tag mit all diesen Zusatzpausen die alte Kreuzritterfestung Karak überhaupt noch erreichen...
In der Umgebung von Karak ist Wasser nicht ganz so knapp wie bisher. Die kleinen Bäche werden für die Landwirtschaft in Bewässerungsbecken geleitet und wir geniessen nicht nur das satte Grün der Landschaft und die herzliche Gesellschaft beim Mittagessen, sondern auch eine erfrischende Abkühlung in einem dieser Pools, um uns den Schweiss des einmal mehr assozial steilen Uphill vom Leib zu waschen. Dann düsen wir hinunter...Doch der Talboden des mit pinkblühenden Oleander übersäten Wadi Mujibs ist erst nach zahlreichen mühsamen Gegensteigungen zu erreichen und wir benötigen viel mehr Zeit als gedacht. Müde stellen wir unser Zelt inmitten dieser herrlich duftenden Blütenpracht auf und versuchen am knisternde Lagerfeuer unter einem sternenklaren Himmel die Strapazen des Tages zu vergessen.
Der Aufstieg aus dem Wadi Mujib am nächsten Tag wird ebenfalls kein Zuckerschlecken. In der prallen Sonne schieben wir unsere Bikes hoch nach Dhiban. Dort machen wir eine längere Pause, quatschen mit den kommunikationsfreudigen Einheimischen, laden die Akkus unsere Handys und versuchen unsere eigenen mit einem superleckeren Falafel auch wieder zu füllen (Danke Andrea fürs Sponsoring). Doch alles hilft nichts mehr. Tania ist so ausgelaugt, dass es keinen Sinn mehr macht, die Tour bis am Schluss durchzuziehen. Zudem ist der fehlende Singletrailanteil bergab für uns keine wirkliche Motivation, um unsere Fahrräder ständig auf steilen Wegen irgendwo hochzuschleppen. Wir beschliessen, dass wir nur noch für eine Etappe dem Jordan Bike Trail folgen und nachher ans tote Meer fahren, wo die Strecke flacher sein wird und wir uns am Strand etwas ausruhen wollen.
Also radeln wir mit genug Essens- und Wasservorräten hinunter ins Wadi Hidan. Hätten wir gewusst, dass wir dort nicht einen Bissen von unserem Proviant anrühren würden, hätten wir bestimmt nicht so grosszügig eingekauft. Im Wadi treffen wir nämlich auf Taha, Hamza und den selbsternannten "King of the Woods". Die Truppe bereitet uns ein superleckeres frühes Abendessen zu. Kaum sind sie abgereist kommt eine zweite Gruppe Herren, die uns bei ihrem Festschmaus ebenfalls dabeihaben will. So widmen wir uns einer der sieben Todsünden, der Völlerei, essen bis wir fast platzen, rauchen Shisha und lauschen den Geschichten unserer Gastgeber am gemütlichen Feuer.
Vollgefressen und mit noch mehr Proviant als zuvor strampeln wir hinaus aus unserem letzten Wadi und rollen auf einer malerischen Strasse hinunter ans tote Meer. Doch unser geplante Wellnessstop wird zu einem kurzen Intermezzo. Der Strand ist überfüllt, Tania (als einzige Frau hier) wird beim Gang ins Wasser von 100 Männeraugen verfolgt und die heissen Quellen sind mit vollen Windeln und Abfall zugemüllt. Bereits nach einer Nacht suchen wir das Weite.
Wenig ausgeruht erreichen wir so das Dorf Kereime kurz vor der Grenze zu Israel. Dort erfahren wir ein letztes Mal die unglaubliche Gastfreundschaft der Jordanier, oder in diesem Fall Pakistani. Viele Flüchtlinge aus anderen muslimischen Staaten (momentan hauptsächlich aus Syrien) suchen im einigermassen stabilen Königreich Jordanien Zuflucht. Die pakistanische Familie ist seit fast 60 Jahren dort (seit dem Indien-Pakistan Konflikt 1965). Sie lebt in einfachen Zelthütten doch der Herr des Hauses gewährt uns ohne zu Zögern Asyl und lässt uns von seinen zwei Frauen (die wir nie zu sehen bekommen) ein leckeres Abendessen und Frühstück zubereiten. Neben seinen 19 Kinder ist sein ganzer Stolz die Damaskusziege, bei deren ersten Anblick uns vor Mitleid fast die Tränen kommen. Doch was aussieht wie ein schrecklicher Unfall, gehört zu den Hauptmerkmalen dieser Gattung... Vielleicht wäre es sinnvoller, statt seine beiden Frauen die Ziege hinter einem Schleier zu verstecken...
Dann nehmen wir langsam Abschied von Jordanien. Der Jordan Bike Trail hat uns während den 10 Tagen alles abverlangt und uns am Ende zur Aufgabe gezwungen. Trotzdem werden wir das Land vor allem wegen den wunderschönen Begegnungen, aber natürlich auch wegen dem bezaubernden Wadi Rum und der spektakulären Felsenstadt Petra in bester Erinnerung behalten. Wir machen einen letzten Kaffeestopp mit netter Gesellschaft und rollen auf die jordanische-israelische Grenze "Scheich Hussein Bridge" zu. Die Jordanier lassen uns problemlos passieren. Die Israelis sind mit den Fahrrädern etwas überfordert... Anscheinend kommt das selten bis nie vor... Nach mehreren Rücksprachen und Durchleuchtung unserer kompletten Ausrüstung inklusive Räder dürfen wir dann doch wieder in Israel einreisen. Und unser Timing für die Rückkehr ist perfekt. Es ist Nationalfeiertag! Und das heisst für uns weitere Einladungen zum Essen und mehr Reste als wir je transportieren könnten... Den Supermarktbesuch können wir getrost auf später verschieben!
Die nächsten zwei Tage verbringen wir in den Wäldern rund um Bat Shlomo. Hier können wir unsere Batterien langsam wieder aufladen. Es hat dort nämlich zwei tolle Mountainbike Trailzentren (zu den Trails in Ofer Forest und Horsham), wo wir endlich wieder einmal ohne Gepäck biken können. Eine wahre Genugtuung nach den langweiligen Schotterpistendownhills in Jordanien. Es fühlt sich an wie fliegen!
Wir ziehen weiter nach Bazra. In diesem kleinen Örtchen 20 Kilometer vor Tel Aviv wohnt Sagi mit seiner Familie. Wir haben ihn Wochen zuvor auf dem Israel Bike Trail kennenglernt und versprochen, ihn zu besuchen. Sein zu Hause entpuppt sich als kleiner/grosser Garten Eden voller Orangen-, Zitronen-, Grapefruit- und Olivenbäumen. Der perfekte Ort, um vollständig zu regenerieren. Es fehlt uns an Nichts. Sagi bereitet uns leckeres Shakshuka mit frischen Eiern von seinen Hühner zu, lädt uns zum wirklich besten Falafel ein und wir besuchen seine Eltern Dvora und Ezra und seine Cousine Paulette, die für die Hochzeit seiner ältesten Tochter zu Besuch ist. Wie bei vielen israelische Familien sind die Familien-Wurzeln über den ganzen Globus verteilt. Sagis Grossmutter stammt aus Wien, sein Grossvater aus der Slovakei, Linor, (seine Frau) hingegen kommt aus dem Irak und Paulette lebt in den USA... Nach drei Tagen im Schlaraffenland sind unsere Batterien wieder komplett aufgeladen und wir haben genug Kraft, um zurück nach Tel Aviv zu pedalieren. Sagis Grosszügigkeit ist kaum in Worte zu fassen und wir sind unendlich dankbar, dass er uns so herzlich bei sich aufgenommen und bewirtet hat.
Zurück bei Melanie, Jamie und unserem restlichen Gepäck bereiten wir uns in Tel Aviv auf unsere nächste Destination vor. Unsere Reifen müssen nach fast 9 Monaten ersetzt werden (Danke Aline und Flo fürs Sponsoring! ) und wir rüsten wieder auf Standartveloreise mit Seitentaschen um.
Kurz vor unserer Weiterreise überschlagen sich jedoch die Ereignisse. Das Wichtigste ist: Uns geht es gut und wir bekommen hier in Israel eine unglaubliche Unterstützung (auch über die sozialen Medien und von Menschen, die wir noch nicht einmal kennen!)!!!
Was genau passiert ist, erzählen wir euch beim nächsten Mal!
Reisedaten 14.4 - 5.5.2023
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