Da sind wir wieder... Unser letzte Beitrag liegt bereits eine ganze Weile zurück und in der Zwischenzeit ist viel geschehen! Warum wir unsere Pläne ein weiters Mal komplett über den Haufen werfen mussten und uns plötzlich an einem altbekannten Ort befinden, erfahrt ihr im folgenden Bericht.
Die einwöchige Pause in Dushanbe im Green House Hostel hat gut getan. Wir nehmen Abschied von Marielle, Henning, Pia und Baldur und machen uns gestärkt auf den Weg in die Fan Mountains. Der Gebirgszug befindet sich an der Grenze zu Usbekistan und soll gemäss Joos Recherchen ein paar tolle Mehrtageswanderungen zu bieten haben. Ob sich diese auch für Bikepacking eignen, werden wir in den kommenden Tagen herausfinden. Erst geht es mit dem Bus erneut durch den Tunnel des Todes nach Sarvoda. Wir haben aus unserem Fehler beim letzten Mal gelernt und lassen die Räder dieses Mal nicht auf das Dach binden, sondern nehmen sie in den Bus. Nicht alle Fahrgäste sind von unserer Idee begeistert...
In Sarvoda füllen wir unseren Proviant auf und versuchen den Besitzer der einzigen Hotels weit und breit davon zu überzeugen, dass wir nur unser Gepäck deponieren wollen und selbst kein Zimmer brauchen... Russisch wäre hier definitiv von Vorteil und wir nehmen uns vor in Zukunft etwas mehr Zeit in das Erlernen dieser Sprache zu investieren. Schwer bepackt mit Essen für mehr als eine Woche machen wir uns in der brütenden Mittagshitze, das Thermometer steigt auch auf 2000 Metern über Meer auf über 35 Grad, an den Aufstieg zum Alauddin See. Der Schweiss läuft uns in Strömen am Leib herunter. Wir passieren die letzten einfachen Bauerndörfer bis nur noch unberührte Natur vor uns liegt. Vereinzelt treffen wir noch auf Hirten, deren Ziegen und mageren Kühe in dieser einsamen Landschaft auf Futtersuche sind. Umso höher wir kommen, desto angenehmer werden die Temperaturen und die zahlreichen Bäche bieten am Ende des Tages eine willkommene Abkühlung für unsere überhitzten und stinkenden Körper.
Die dürftige Forststrasse endet auf knapp 3000 Metern über Meer. Ab hier gibt es nur noch Wanderwege. Mühsam schieben wir unsere Bikes den Berg hoch zu unserem ersten geplanten Basecamp in der Nähe des Alauddin See. Neben des bekannten Sees, gibt es noch eine Handvoll kleinere Seen, die in der Sonne als smaragdgrüne Farbkleckse inmitten der vergletscherten Berge glitzern. Mit Blick auf den wunderschönen Chimtarga Gipfel stellen wir unser Zelt am kleinen Chapdara See auf. Einen besseren Campspot hätten wir uns nicht erträumen können. Nur die fiese Magenverstimmung, unter der Tania bereits in Dushanbe gelitten hat, meldet sich leider ziemlich intensiv zurück und zehrt an ihren Kräften.
Wie Joos richtig recherchiert hat, werden hier rund um den Alauddin See diverese Trekkintouren angeboten. Zahlreiche vollbepackte Esel und einige Wanderer mit zum Teil ziemlich lustiger Ausrüstung (die Jungen Hauptsache knapp und sexy, die Älteren Hauptsache teures Equipement) kreuzen bei unserer Erkundungstour hoch zum Mutnyi Lake am Fusse des Chimtarga unseren Weg. Anfangs nicht davon überzeugt, wie glorreich es ist, die Fahrräder hier hoch zu schleppen, werden wir immer zuversichtlicher. Solange die Esel hier durchkommen, sollte es keine bösen Überraschungen oder Kletterpartien geben... Im Gegenteil: Der Weg schlängelt sich in einer angenehmen Steigung bergwärts und verspricht eine tolle Abfahrt. Und dem ist auch so! Ein wunderschön flowiger Trail, gespickt mit ein paar technischen Stellen zaubert uns ein Lächeln ins Gesicht. Schon lange hatten wir nicht mehr so viel Spass beim Biken!
Für die nächste Etappe, müssen wir noch etwas mehr Ballast loswerden. 1000 Höhenmeter hoch zum Alauddin Pass gilt es zu überwinden. Wir verstecken einen Teil unseres Equipments in einer Felsspalte und nehmen nur Zelt, Matten, Schlafsäcke und Proviant für drei Tage mit. Den Anstieg ist zäh. Fast die gesamte Strecke müssen wir unsere Bikes schultern. Schwer bepackt wie die armen Esel, deren dünnen Beinchen fast unter ihrer Last wegknicken, bezwingen wir im Schneckentempo Meter um Meter. Wenn die Abfahrt auch so steil und verblockt wird, schaffen wir unser Tagesziel heute bestimmt nicht...
Erleichtert und ziemlich ausser Puste erreichen wir die Passhöhe. Doch nicht nur der Blick zurück zu dem unter uns schimmernden Alauddin See lässt uns aufatmen. Auf der anderen Seite des Passes präsentiert sich uns eine zauberhafte Landschaft mit stolzen Bergipfeln und weiteren glitzernden Seen und der Downhill sieht sanfter und ziemlich biketauglich aus. So beginnt unerwartet eine fantastische Abfahrt, die uns auf abwechslungsreichen Trails durch die wilde Landschaft der Fan Mountains hinunter zum Kulikalon See bringt.
Während der Trekkingsaison herrscht in den von den Veranstalter eingerichteten Camps reger Betrieb. Das hat für uns einen Vorteil: Es gibt Kekse und Cola... Zu einem unverschämten Preis aber das haben wir uns verdient und beruhigt den immer noch ausser Kontrolle geratenen Magen von Tania... So wie es aussieht hat sie den im tadjikischen Wasser leider vorkommenden Parasit Giardia eingefangen, der zu Durchfall, Übelkeit, Bauchkrämpfen und Müdigkeit führt... Wir suchen uns am anderen Ende des Sees in Front des majestätischen Rudaki Gipfel weit weg von den Wandervögeln einen einsamen Platz für unser Zelt und ruhen uns aus.
Am nächsten Tag lassen wir unser Zelt stehen und fahren ohne Gepäck Richtung Artuch. Und was sollen wir dazu sagen?! Die Abfahrt durch die wilde Berglandschaft, in der sich der Artuch Fluss talwärts windet, ist einfach ein Traum! Wer hätte hier im Niemandsland in Tadschikistan so etwas erwartet? Als der Wanderweg zu einer Forststrasse wird, machen wir Halt und es gibt es ein wohlverdientes Mittagessen. Gestärkt (Tania konnte das Essen ausnahmsweise mal behalten) machen wir uns auf den Weg zurück zu unserem Zelt, das gut 800 Höhenmeter weiter oben einsam auf uns wartet.
In dieser Abgeschiedenheit und inmitten der Berge hat Joos endlich Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen. Noch in Duschanbe haben wir nämlich schlechte Nachrichten von zu Hause erhalten. Joos Mama geht es nicht gut. Mit unserem InReach Mini können wir glücklicherweise auch hier im Niemandsland per Satellit mit der Aussenwelt texten. Leider sind die Nachrichten, die uns von zu Hause erreichen weiterhin beunruhigend. Vielleicht hat der Umstand, dass die faszinierende Bergwelt in den Fan Mountains sehr an unsere Heimat erinnert, bei Joos Entscheidungsfindung mitgeholfen. Nach einer intensiven Diskussion beschliessen wir, unser Bikepacking in den Fan Mountains abzubrechen und so schnell wie möglich nach Dushanbe zurückzukehren, wo es auch geeignete Medikamente gegen unsere Dünndarminfektion (Giardiasis) gibt. In der Zwischenzeit ist nämlich auch Joos erkrankt. Von dort werden wir nach Hause fliegen, um Joos Familie zu unterstützen. Eine Weiterreise macht in der momentanen Situation wenig Sinn.
So brechen unserer letzten Tage in Tadschikistan an. Ein Land, das uns mehr als fasziniert hat. Diese unbeschreiblich schönen Landschaften am gefühlten Ende der Welt haben unsere Herzen im Sturm erobert. Die vielen Bekanntschaften mit den immer freundlichen Einheimischen und unseren Reisekameraden auf dem Pamir werden wir so schnell nicht vergessen! Doch bevor es zurück nach Dushanbe geht, steht uns der Rückweg vom Kulikalon See zurück zum Alauddin See und runter nach Savoda an. Wir brauchen also noch 2 Tage, bis wir die Zivilisation erreichen und endlich zu Hause anrufen können. Obwohl wir bei der Auswahl unserer Route mehr als Glück haben und ein weiteres Mal von der guten Qualität der Wege überrascht sind, können wir es nicht mehr richtig geniessen. Einerseits sind unsere Gedanken bei Joos Mama, andererseits ist es schwer zu verstehen, dass unser Abenteuer nun so abrupt enden soll.
Endlich in Sarvoda angekommen haben wir wieder Empfang und können zu Hause anrufen. Der Zustand von Joos Mama bleibt unverändert. Nun geht alles sehr schnell. Wir suchen uns einen selbsternannten Taxifahrer, der es schafft unsere beiden Fahrräder mitsamt Gepäck in seinem kleinen OPEL (was sonst?!) unterzubringen und uns auf direktem Weg zurück nach Dushanbe bringt. Ein weiteres Mal quartieren wir uns im Green House Hostel ein und machen uns auf die aussichtslose Suche nach einem Bikekarton um unsere Räder flugtauglich zu verpacken. Wenige Stunden später sind die Velos in zwei aus unzähligen Kartons und mit unendlich viel Klebeband zusammengebastelten Bikeboxen verstaut, unserer wenigen Habseligkeiten in einem anderen Karton gepackt und wir buchen den nächsten Flug nach Europa. Etwas mehr als 24 Stunden, nachdem wir in Dushanbe angekommen sind, steigen wir ins Flugzeug, das uns nach Hause bringen soll.
Auch wenn der plötzliche Abbruch unserer Reise, vor allem Tania sehr mitgenommen hat, ist das Lächeln auf dem Gesicht von Joos Mama, als ihr Sohn durch die Tür des Spitalzimmers tritt, die schönste Bestätigung dafür, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Die Welt läuft uns nicht weg! Und momentan ist zu Hause genau der richtige Ort für uns. So schliessen wir (vorübergehend) dieses Kapitel in unserem Leben und fokussieren uns auf andere Pläne.
Wie es weitergeht und warum es zu Hause eigentlich auch gar nicht so übel ist, erzählen wir euch beim nächsten Mal.
Reisedaten: 16.7- 26.7.2023
The magic thing about home is that it feels good to leave and it feels even better to come back!