Nach unserer tollen Zeit in Kasachstan reisen wir ins nächste Land der ehemaligen Sowjetunion. Was wir in Kirgisistan erleben und ob das Land unsere Erwartungen erfüllt, erfahrt ihr hier.
Kirgisistan. Hier sind wir endlich! Dieses Mal hat alles geklappt. Die Einreise ist relativ einfach. Der nette Grenzbeamte organisiert uns sogar einen Typen, der uns ein paar von den jetzt unnützen Tenge in kirgisische Som durch das Autofenster eines alten Audis wechselt. Etwas dubios... Darum wechseln wir nur eine kleine Menge... Wie sich in der nächsten grösseren Stadt Karakol herausstellt war aber der Audi-Wechselkurs ziemlich unschlagbar! Fast ein Drittel weniger bekommen wir in einer offiziellen Bank für die noch 80000 Tenge (160Fr.)...
Unsere ersten Eindrücke von Kirgisistan sind durchaus positiv. Die Kinder winken freundlich, wir werden zum Familienpicknick mit viel Wodka und vergorerenem Getreidesaft eingeladen und die kirgisische Bauerfamilie tischt uns grosszügig frisches Ayran (ähnlich wie Joghurt, nur etwas saurer), Brot und hausgemachte Konfitüre auf. Nur die Strassen lassen etwas zu wünschen übrig. Fast überall im Land werden sie aufgerissen und verbreitert. Das heisst für uns: endlose Baustellen mit vielen LKWs und noch mehr Staub...
Unseren ersten Stopp in Kirgisistan machen wir im kleinen Bergdörfchen Jyrgalan. Der Weg dahin führt über ein Pässchen und eine flach ansteigende Kiesstrasse mit unzähligen Schlaglöcher. Man kann sich darüber streiten, ob es nun die Kymys (vergorene Stutenmilch) aus Kegen, der Wodka, der vergorene Getreidesaft, das saure Ayran oder die Schlaglöcher waren, die den Magen von Tania ganz schön durcheinandergewirbelt haben... Mit Dünnpfiff und Übelkeit erreicht sie Jyrgalan und ist dankbar, dass Joos einen Platz für unser Zelt mit einer vernünftigen Klosituation und einer super heimeligen Stube zum Mitbenutzen organisieren kann. Statt ab auf den Trail, hat Tania die restliche Zeit des Tages ein Redezvous mit der Klobrille...
Am nächsten Tag ist der Spuk vorbei und wir unternhemen mit noch etwas wackeligen Beinen in den kommenden zwei Tagen Biketouren ohne Gepäck zum Turnaly Köl Lake und zum Ailampa See. Die grüne Berglandschaft von Kirgisistan verzaubert bereits ab dem ersten Moment. Pferde und Kühe grasen auf den saftigen Wiesen und unzählige Blumen sorgen für bunte Farbtupfer. Der Ursprung für diese grüne Pracht ist das viele Wasser, das uns auf den durchtränkten, sumpfigen Wiesen ziemlich nasse Füsse beschert. Denn die kirgisischen Wanderwege führen hauptsächlich ungekennzeichnet durch die Graslandschaften und bedürfen einer guten Navigation. Und dort wo es viele Kühe hat, hats auch ganz schön viel Kuhscheisse... Wir und die Räder sind von oben bis unten betoniert...Je weiter taleinwärts wir pedalieren, umso grössere und schroffere Berge blitzen uns entgegen und die Tiertrampelpfade werden mit zunehmender Höhe alpiner und sind bald schneebedeckt. Auch stossen wir in den abgelegeneren Täler immer wieder auf Jurten. Die Sommersaison beginnt langsam und die Hirten beziehen mit ihren Tieren die Sommerresidenz. Der Anblick der auf diesen saftigen Alpwiesen herumgaloppierenden Pferde vermittelt uns das Gefühl der absoluten Freiheit. Und schon sind wir verliebt in dieses Land, das nicht umsonst die Schweiz Zentralasiens genannt wird.
Bilder Biketour Jyrgalan Turnaly Kol Lake
Bilder Biketour Jyrgalan Ailampa Lake
Nach 2 Tagen Abgeschiedenheit, Bikespass und einer gebrochenen Speiche bei Tania pedalieren wir weiter in die 60 Kilometer entfernte Stadt Karakol. Die Strassen weiterhin mit vielen Schlaglöchern durchsetzt und als zusätzlicher Stressfaktor kommen waghalsige und rücksichtslose Autofahrer dazu, die uns lieber umfahren als einmal zu bremsen oder mit genügend Abstand zu überholen. Und wir dachten die Georgier sind schlechte Fahrer... Nachdem wir auf der offiziellen Bank zu einen desaströses Wechselkurs unsere restlichen Tenge gewechselt haben, verlassen wir die Stadt schnellstmöglich wieder und fahren weitere 60km bis an den Issyk Kul See. Die momentane Wettersituation lässt vorerst keine weiteren Bergexpeditionen zu und wir hoffen, dass der Schnee während unseres kleinen Umweges noch etwas schmilzt. Badeferien in Kirgisistan, wir kommen!
Das eigentliche Ziel ist nicht nur der erfrischende Issyk Kul sondern auch der märchenhafte Fairy Tail Canyon, der sich unweit von unserem Camping Spot befindet. Wir schlendern durch die bizarren Felsformationen, staunen über die regenbogenfarbigen Steinschichten und sind froh, dass wir uns für dieses Alternativprogramm entschieden haben, denn in den Bergen in unserem Rücken blitzt und donnert es wie wild.
Nach dem meteorologischen Zwischentief, bessert sich das Wetter. Hochmotiviert pedalieren wieder in einem Tag 100km nach Karakol zurück, auf demselben Weg, auf dem wir gekommen sind... Wir wären noch schneller gewesen, wenn uns die netten Kinder, die wir bei der Mittagspause getroffen hatten, nicht mit unzähligen Free Hugs an der Weiterfahrt gehindert hätten.
Im Garten des Hostel Nice beziehen wir unser Basislager und organisieren Proviant für unser erstes Bikepacking Abenteuer in Kirgisistan.
Die Ak Suu Traverse ist ein Weitwanderweg durch das Tien Shan Gebirge und seit wir zu Hause aufgebrochen sind, freuen wir uns auf dieses Abenteuer. Wir möchten versuchen, sie mit unseren Fahrräder in zwei 4 tägigen Etappen zu bewältigen. Es wird zu einem unvergesslichen Hike a Bike Erlebnis mit ein paar unglaublichen Biketrails, herzlichen Begegnungen und unvergesslichen Ausblicken. Die Route startet mit der Durchquerung eines reissenden Flusses. Bereits hier wird uns klar: Das wird kein Zuckerschlecken. Und wir sollten recht behalten... In den ersten drei Tagen bis nach Altyn Arashan buckeln wir das Bike relativ häufig berghoch. Zuerst führt uns der spärliche Weg über den Boz Uchuk Ashuu Pass, weiter bis zu den einsamen Boz Uchuk Seen, von denen einer sogar noch mit einer dünnen Eisschicht überzogen ist. Ausser den 3 Brüder, die gleich am Ufer unserer ersten Flussdurchquerung ihre Jurte aufgestellt und uns grosszügig zu einem zweiten Frühstück einladen, begegnen wir niemandem.
Bilder Ak Suu Traverse Tag 1
Von den Boz Uchuk Seen führt uns der Weg am zweiten Tag weiter durch die immer noch verlassene Landschaft. Nach der langen Winterpause erwacht die Natur hier erst langsam wieder zum Leben. Jurtcamps werden aufgebaut bevor dann die Touristenmassen im Hochsommer hier auf Wandertour gehen. So haben wir das Panorama mit all den wunderschönen Bergen ganz für uns alleine und begegenen auch weiterhin, ausser ein paar Kühen und Pferden, keinem. Wir geniessen die tolle Abfahrt vom 3516m hohen Pass X-V und buckeln unsere Bikes erneut, bis wir an den Ailanysh Seen ankommen.
Bilder Ak Suu Traverse Tag 2
Der dritte Tag startet mit einem mystischen Sonnenaufgang. Eben noch Kaffee in der spärlichen Morgensonne gekocht, beginnt es wenige Minuten später zu schneien... So unvorhersehbar kann das Wetter in den Bergen sein. Als wir den Ailanysh Pass auf 3671m erreichen ist die Front vorübergezogen und wir sehen die vergletscherten Berge Tashtambek Tor Bashi und den Pik Karakol. Die Abfahrt wird wie bisher immer in Kirgisistan ein Mix aus perfektem Trail, Wiesentrail und der Frage wo gehts lang... Doch die Trails werden zur Nebensache. Die Landschaft ist so wunderschön, dass wir aus dem Stauen kaum herauskommen! Der strengste Pass unserer ersten Etappe bis nach Altyn Arashan steht uns noch bevor. In 3km führt der Weg über 900 Höhenmeter extrem steil hoch zum Anyrtör Pass (3609m) und weiter zum Anyrtör Gipfel auf über 3700m. Von dort geht es hauptsächlich bergab, vorbei an unzähligen Pferden bis wir am Ende Altyn Arashan erreichen. Hier ist um einiges mehr los. Grosse Jurtencamps stehen auf der Ebene und Buchankas bahnen sich ihren Weg über die superschlechte Strasse. Grund dafür sind die heissen Quellen, die auch für unsere müden Muskeln eine Wohltat sind.
Bilder Ak Suu Traverse Tag 3
Nach einem Zwischenstopp in Karakol, um unsere Vorräte wieder aufzufüllen, starten wir den Part II unserer Ak Su Traverse und pedalieren nach Yeti Öguz zu den sogenannten Seven Bulls, wo sich viele kirgisische Familien zum Picknicken treffen. Dann verlassen wir die Zivilisation wieder und radeln ins einsame Telety Tal. Hatten wir auf dem ersten Teil noch riesiges Wetterglück, holt uns auf dem zweiten Teil schnell der Regen ein. Kaum auf der Waldstarsse angekommen, fallen die ersten Tropfen. Einmal finden wir Zuflucht bei einer Bäuerin, die uns natürlich Brot, Kaymak und Konfitüre auftischt, das nächste Mal stellen wir uns neben die Esel unter einen Baum, um die gröbsten Schauern vorüberziehen lassen. Doch der Regen hat seine Spuren hinterlassen. Die Tierpfade sind super schlammig und wir sind bald von oben bis unten voller Dreck. Darum schämen wir uns schon fast, als uns die nächste Bäuerin auf Brot und Kaymak einlädt und trauen uns kaum, abzusitzen.
Bilder Ak Suu Traverse Tag 5
Nach einer regnerischen Nacht startet der neue Tag mit einer Flussdurchquerung und viel matschieger Wiese. Doch das wird nicht zu schlimmsten Problem. Oben am Telety Pass angekommen, sind wir fix und fertig und unsere Schuhe so nass, dass wir sie bei den kommenden Flussdurchquerungen nicht mal mehr ausziehen... Übeltäter ist der Schnee, der uns auf beiden Passseiten zum Teil fahrradtragend hüfttief einsinken lässt. Kaum ist der Weg schneefrei versperren uns Büsche und Steine den Weg. Eine gefühlte Ewigkeit später erreichen wir den Talboden und hoffen, dass unsere Schuhe bis zum nächsten Morgen wieder trocknen.
Bilder Ak Suu Traverse Tag 6
Obwohl die Sonne strahlt wie nie zuvor, sind die Schuhe am nächsten Morgen weit weg von trocken und werden es in nächster Zeit wohl auch nicht werden. Die nächsten Flussdurchquerungen warten schon... Danach folgen 800 Höhenmeter steiler Anstieg. So steil und streng, dass wir fast umdrehen. Aber als wir dann endlich oben sind, sind all die Mühen vergessen. Der Anblick des noch leicht mit Eis bedeckten Ala Kul Sees ist jeden Schweisstropfen wert! Wir geniessen den unerwartet sonnigen und milden Abend auf 3600 Metern und senden ein Stossgebet zum Himmel, dass Morgen der Weg auf der anderen Seite des Passes etwas biketauglicher wird.
Bilder Ak Suu Traverse Tag 7
Vor der ersehnten Abfahrt, warten am folgenden Tag weitere 300 Höhenmeter Schieben, Tragen, Schwitzen auf uns. Diesesmal glücklicherweise ohne winterliches Intermezzo. Erst als wir den Ala Kul Pass 3920m erreichen, wird es wieder weiss... Unser Abstieg führt mitten durch ein langsam vor sich hinschmelzendes Schneefeld... Kennen wir ja schon... Doch nach dem Schnee lässt sich bereits erahnen, dass der Trail sich superflowig talwärts schlängelt. Bevor wir uns von der Qualität des Trailes überzegen wollen, geniessen wir erstmals die wahnsinnige Aussicht und trinken einen wohlverdienten Kaffee.
Bilder Ak Suu Traverse Tag 8
Gemeinsam mit unseren Fahrräder schlittern wir dann durch den Schnee talwärts. Und als wir endlich im Sattel sitzen folgt ein Trailspektakel, das kaum enden will. Der Weg ist perfekt angelegt und wir finden auf den fast 2000 Höhenmetern bis hinuter nach Altyn Arashan den perfekten Flow. Dieses Mal lassen wir die überfüllten Badepools jedoch hinter uns und düsen bis runter ins Tal nach Ak Suu.
Bilder Ak Suu Traverse Tag 8
Auch in Ak Suu gibt es heisse Quellen. Und dort ist erstaunlicherweise niemand... Vielleicht weil sie so heiss sind, dass wir uns im heissesten Becken die Füsse verbrennen und durch die Hitze rot wie die Krebse anlaufen. Auf das Wellnessprogramm folgt ein leckeres Laghman in einem kleinen, familiären Restaurant das uns unerwartet von 2 Propheten bezahlt wird. Was für ein gelungener Abschluss unseres Bikepacking Abenteuers, dass unsere Erwartungen landschaftlich und trailtechnich sogar übertroffen hat! Nach der Schlemmerei und der Bespassung der Kinder des Restaurantsbesitzers, die uns fast nicht mehr gehen lassen wollen, machen wir uns auf den Rückweg nach Karakol.
In Karakol angekommen bleibt nicht viel Zeit für Erholung. Warum und wie unsere weiteren Pläne aussehen, erfahrt ihr beim nächsten Mal.
Reisezeit 7.6-22.6.2024
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