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30. KIRGISISTAN PART 3

Unsere letzten Wochen in Kirgisistan brechen an. Warum uns der Schweiss nur so runterläuft und welcher Traum für uns in Erfüllung geht, erfahrt ihr hier.

Nachdem wir endlich alle unsere Visas in der Tasche haben, verlassen wir Bishkek auf dem schnellsten Weg. Wir "schummeln" und nehmen für die ersten 2000 Höhenmeter und 130km, die uns auf der verstopften Hauptstrasse und in der brütenden Hitze auf den Teo Ashu Pass gebracht hätten ein Taxi. Von dort geht es abwärts und wieder zurück auf die holprigen, einsamen aber landschaftlich wunderschönen Kiesstrassen Kirgisistans. Tanias Setup muss bei dem Gerumpel noch etwas justiert werden, das Seatpack berührt bei jeder Bodenwelle den Hinterreifen. Also erhält der Dämpfer soviel Druck, dass er seine Funktion komplett einbüsst. Auch der Luxus "Sattelstütze" ist ab sofort Geschichte...

Unsere Route schlängelt sich auf der Wellblechpiste durch ein Tal mit roten Sandsteinfelsen und durch die zauberhafte Naryn Schlucht Richtung Kazerman. Einige Male poltert und rumpelt es über uns und kleine Kieselsteine rieseln auf die Strasse. Zahlreiche Felsklötze blockieren bereits die Fahrbahn. Als es zu gewittern beginnt, beschliessen wir sicherheitshalber aus der Schlucht heraus zu fahren und unser Nachtlager ausserhalb der Steinschlagzone aufzustellen. Nicht dass uns die Dinger noch auf den Kopf fallen...

In Kazerman stocken wir Proviant auf und pedalieren weiter Richtung Osh. Momentan führt die Hauptverkehrsachse über den ungeteerten Kaldamo Pass, in Zukunft - also irgendwann - soll aber ein Tunnel den Weg erheblich vereinfachen... Es ist heiss und wir trinken wie die Kamele... Jeden Bach nutzen wir als erfrischende Abkühlung und die von einer Gruppe Kirgisen angebote saftige Wassermelone ist mehr als nur willkommen. Schweissgebadet kämpfen wir uns hoch auf 2000m und hoffen, dass die Temperaturen nachts etwas angenehmer sind... 

Frühmorgens nehmen wir die letzten 1000 Meter auf den 2980m hohen Kaldamo Pass in Angriff. Wir passieren einsame Jurten in der grünen Landschaft und geniessen die noch kühle Luft. Doch wo es hoch geht, gehts auch wieder runter. Nach dem Pass schlängelt sich der Weg idyllisch durch die Landschaft talwärts. Und mit jedem Tiefenmeter wirds wieder heisser und heisser... 

Auf der Strasse ist ganz schön viel los. Der dadurch aufgewirbelte Staub klebt wunderbar an unseren verschwitzten Körper... Grund für das starke Verkehrsaufkommen ist ein traditionelles Kok Börü Spiel, das hier abgehalten wird. Reiter in zwei Teams versuchen ein kopfloses, totes Schaf in das gegnerische Tor zu befördern... Wir schauen dem Spektakel eine Weile zu. Das arme Schaf erleidet in der Zwischenzeit tausend Tode. 

Je mehr Höhenmeter wir verlierern, umso tropischer werden die Temperaturen. Auf der Höhe Jalal Abad wird fahrradfahren in der Sonne unerträglich und ein Platten hält uns zusätzlich auf. Trotz einem Wasserverbrauch, der unsere Transportkapazizät massiv übersteigt, erleiden wir fast einen Hitzschlag. Nach Özgen direkt am Fluss finden wir glücklicherweise einen geeigneten Campspot mit Schatten und Bademöglichkeit. Auch ein deutsches Radreisepaar hat hier Zuflucht gesucht. So teilen wir uns ein lauwarmes Bier und eine Melone und kämpfen gemeinsam gegen die tausend Mücken. 

Nach zwei Tagen Dauerschwitzen in einer ungewohnt dürren Umgebung, erreichen wir die Grossstadt Osh, die einst eine wichtige Stadt an der Seidenstrasse gewesen ist. Heute ist nicht mehr viel davon zu spüren. Es ist stickig, der Verkehr ist chaotisch, die hohen Temperaturen bringen des Asphalt fast zum Schmelzen und die Gebäude sind im traditionellen (hässlichen) Sowjetbaustiel errichtet. Wir stellen unser Zelt im ruhigen Garten des Hostel TES auf und freuen uns über die schattenspendenden Bäume, das inkludierte, überdimensionale Frühstücksbuffet (mit echtem Bohnenkaffee, was für ein Luxus!) und die Gesellschaft der Vancrew mit Paola, Igl, einem Holländischen Pärchen, einem Schweizer Pärchen und Rupert, den wir schon in Bishkek getroffen haben. Wir wandern über den (Kontainer) Markt, der einer der grössten von ganz Zentralasien sein soll, aber leider vor einer Woche von einer Überschwemmung stark beschädigt wurde. Zahlreichen Marktstände sind verschwundenen, Kontainer immer noch geflutet und die Betonbrücke wurde durch die Wassermassen komplett weggespült. 

Dann rufen die Berge wieder. Wir radeln Richtung Alay Mountains. Die Bergkette die hinter Osh in den Himmel ragt ist wild und schön und verspricht wieder etwas angenehmere Temperaturen. Wir passieren den Papan Stausee und pedalieren durch kleine Dörfchen, die meilenweit hinter der Grossstadt Bishkek herhinken. Die Menschen leben hier einfach und ziemlich abgeschieden. Da im Tal jedoch Kohle abgebaut wird, herrscht ein reger Durchgangsverkehr. Die unzähligen Lkws wirbeln auf der sandigen Piste enorm viel Staub auf, der uns und unsere Aussicht komplett einnebelt... 

Erst nach dem letzten Dorf Kojokelen, wo der kleine Supermarkt eine grosse Auswahl an Cookies und Süssgetränken, leider aber kein Brot oder Gemüse vorweisen kann, wird es auf der Strasse ruhiger. Begleitet von Yakherden strampeln wir weiter aufwärts bis 800 Höhenmeter unter den Jiptik Pass. Ein paar wenige einheimische Touristen haben sich auch hierher verlaufen und sind begeistert von unseren Fahrrädern. Wir beschliessen, hier zu nächtigen und den finalen Anstieg zum Pass erst am nächsten Morgen in Angriff zu nehmen. 

Der Jiptik Pass liegt auf 4185m. Und die letzten 800 Höhenmeter werden für uns zur grössten Herausforderung bisher. Sind wir auf unseren Bikepackingtouren jeweils mit leichtem Gepäck unterwegs, müssen wir dieses Mal unser ganzes Hab und Gut transportieren. Und der Weg respektive Wanderweg ist, wie befürchtet, schlecht. Sehr schlecht sogar. Zahlreiche Felsstürze haben ihn komplett verschüttet. Uns bleibt nur noch Option "Tragen" . Am Ende Schmerzen unsere Arme und Schultern mehr als unsere Beine. Sogar Joos kommt dieses Mal aufgrund des vielen Gewichts an seine Grenzen. Erschöpft, komplett verschwitzt und ausgepowert erreichen wir den Pass. Und hier bietet sich uns eine Kulisse, die uns zusätzlich den Atem raubt. Vor uns thronen die Berge des Pamirs mit dem mäjestätischn Pik Lenin in den stahlblauen Himmel!

Nachdem wir wieder genügend Luft zum Atmen haben, folgt der Downhill. Zuerst ist der Trail rollig, steil und verblockt. Dann wird er immer flüssiger. Wir vernichten die Höhenmeter in der wunderschönen Landschaft und schon bald ist der anstrengende Aufstieg vergessen. Mit dem Höhenverlust steigen auch die Temperaturen. Als wir das verschlafene Dörfchen Sary Mogol erreichen, knallt uns die Hitze wieder fast weg. Eine kalte Dusche (warmes Wasser ist nicht verfügbar) im Hostel verschafft uns eine angenehme Abkühlung. 

Im Hostel deponieren wir unser Gepäck und machen uns nur mit unserer leichten Bikepackingausrüstung auf den Weg zu unserem letzten Mehrtages-Bikepacking Abenteuer in Kirgisistan. Vor zwei Jahren hatten wir einen Traum. Nun werden wir versuchen, diesen Traum zu verwirklichen. Wir pedalieren hoch zu den auf 3500m liegenden, märchenhaften Tulpar Lakes. Die Seen sind in eine grüne Hügellandschaft eingebettet und glitzern in allen erdenklichen türkis, blau und grün Tönen in der Sonne. Hinter ihnen thront der vergletscherte Gipfel des Pik Lenin. Ein wunderbarer Ort für einen gemütlichen Nachmittag und eine abkühlende Badesession (in bester Gesellschaft von Paola und Igl, die per Zufall auch hier sind), bevor es wieder richtig streng wird. 

Frühmorgens packen wir unsere Sachen zusammen und pedalieren bergwärts. Vor uns erhebt sich die fantastische Gletscherlandschaft im morgendlichen Licht. Vorbei am noch verschlafenen Lenin Base Camp, erreichen wir über einen schlechte Holperpiste die Onion Fields. Ab hier folgen wir dem Wanderweg. Die Fahrräder landen einmal mehr auf unseren Schultern, diesesmal sind sie jedoch erheblich leichter. Beflügelt durch das gigantische Panorama in der marsähnlichen Landschaft steigen wir Schritt für Schritt bis zum Travelers Pass (4150m) auf. Unwirklich schön ist der Ausblick von hier auf den komplett weissen Peak Lenin und die zerklüftete Gletscherlandschaft, die von rot-braun-violett gefärbten Hängen eingerahmt wird. Und das Beste: es weht ein kühles Lüftchen! 

Wir nutzen den Nachmittag, um uns zu akklimatisieren und unsere Bikeskills auch über 4000 Meter Höhe zu testen. Denn morgen wollen wir noch höher hinauf! Nicht ganz so hoch wie Aleis, den wir in Kasachstan im Altyn Emel Nationalpark kennengelernt haben und der uns per Zufall am Pass entgegenkommt. Er will nämlich bis auf den Peak Lenin! Wir konzentrieren uns hingegen auf die schnee-und gletscherfreien Wege. Unerwartet gut und spassig sind diese Trampelpfade, die vom Travelers Pass zu den nahen Gipfeln führen. Und sie lassen auf den kommenden Tag hoffen! Voller Zuversicht schlüpfen wir abends in unsere Schlafsäcke umd lauschen dem Poltern und Knacken der Gletscher. 

Das erste Mal seit Langem ziehen wir am nächsten Morgen Daunenjacke, Handschuhe und Mütze an. Frieren müssen wir jedoch nicht lange... Der Aufstieg zum Lenin Camp 1 auf 4400m ist landschaftlich wunderschön und führt auf der Gletschermoräne sanft berghoch. Viele Abschnitte können wir, wenn auch mit Schnappatmung, sogar hochpedalieren. Es dauert deshalb nicht lange, bis der Schweiss trotz niedrigen Temperaturen wieder an uns herunter tropft... 

Ab Camp 1 wird der Weg steiler und rollig. Die Räder tragend erreichen wir den Vorgipfel Peak Kholm auf etwa 4700m. Tania lässt aber bereits etwas unterhalb ihr Fahrrad liegen. Joos kämpft weiter. Doch die letzten Meter bis zum 5130m hohen Peak Yukhina, sind dann auch für ihn nicht mehr machbar. Trotzdem sind wir mehr als stolz - und auch etwas überrascht - dass wir so weit gekommen sind. Wer hätte gedacht, dass unsere Räder mal fast auf 5000m Höhen landen werden? Die Aussicht vom Gipfel ist atemberaubend schön, auch wenn sich der Peak Lenin im Wolkenmeer versteckt. Mit einem Schluck echtem deutschen Williams, ein Geschenk von Rupert aus Osh, stossen wir auf dieses Gipfelglück an. 

Und dann wird unser Traum zur Realität: Wir fahren mit unseren Bikes in Angesicht des Peak Lenin, dem höchsten Berg der Trans Alay Kette im nördlichen Pamir, auf diesem sich perfekt durch die unwirkliche Landschaft schlängelnden Singletrail talwärts zurück zum Lenin Basecamp auf 3500m. Nicht einmal in unserer Fantasie haben wir uns den Weg so perfekt ausgemalt, wie er sich uns hier präsentiert. Biken im Himmel sozusagen und dies nicht nur wegen der Höhe. Wahrscheinlich der schönste und spektakulärste Ride unseres Lebens!

Nach diesem Abenteuer nehmen wir uns eine kleine Auszeit in Sary Mogol. Es ist Donnerstag und für einmal sind die engen Gassen des Dörfchen voll mit Menschen. Kirgisische Männer mit ihren traditionellen Hüten flanieren durch die Strassen, Kinder freuen sich am Softeis, zwischen frischem Gemüse und Kleider werden Fahrradreifen in unüblichen Grössen angeboten und auch die Apotheke im Schiffscontainer hat geöffnet. Während Tania sich auf diesem authentischen Markt verliert, braucht Duracell-Häsli-Joos etwas mehr Action und unternimmt eine weitere Biketour hoch zum Sary Mogul Pass. 

Dann wird es langsam aber sicher Zeit, sich von Kirgisistan zu verabschieden. Wir pedalieren weiter nach Sary Tash. Die Magasins hier sind wider unseren Erwartungen ziemlich schlecht ausgestattet, wir finden aber trotzdem alles was wir brauchen. Nur Benzin für unseren Kocher wird zum Problem. 92 statt 95 kennt unser MSR Dragonfly schon. Hier gibts aber nur 80 er... Mal schauen, ob und wie er das verträgt... Auf einer traumhaft schönen Route pedalieren wir weiter Richtung Irkeshtan Pass. Vereinzelt treffen wir auf Jurten, die Kinder verkaufen am Strassenrad Kymys... Eine traumhafte Idylle und ein schöner Abschluss für das Land, dass uns bis jetzt am meisten verzaubert hat. An einem tollen Spot mit Blick auf die weissen Berge und den roten Fluss im Tal, schlagen wir unser Zelt auf. Der Brenner macht auch trotz schlechter Benzinqualität kaum Probleme, Tanias Magen jedoch schon. Sie muss nachts jedenfalls im Halbstunden- bis Stundentakt raus und nach dem 10. Mal gehen langsam die Steine aus um die flüssige braune Sauce zu verstecken...

An der Grenze angekommen, müssen wir einen Zwischenstopp machen. Nicht nur wegen dem akuten Durchfall von Tania. Die Grenze ist am Wochenende geschlossen und unser Timing ist perfekt... Nur die zahlreichen LKWs dürfen passieren. Wir hingegen müssen bis Montag warten und campen deshalb direkt vor dem Grenzzaun. Im Schatten der zahlreichen Schiffscontainer ruht sich Tania nochmals einen Tag aus, während Joos die restlichen kirgisische Som wechselt und besseres Benzin für unseren Kocher organisiert. 

Welche Grenzübergang auf uns wartet und welches Land wir als nächstes bereisen, erfahrt ihr in unserem nächsten Beitrag. 

Reisedaten 18.7 - 4.8.2024

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