Unsere Zeit in Kirgisistan ist vorbei. Wir pedalieren weiter durch das Land der Mitte, für das wir seit März 2024 während 15 Tagen kein Visum mehr brauchen. Was wir in China alles erleben und wie viele Passkontrollen wir über uns ergehen lassen müssen, erfahrt ihr hier.
Als unser Container Campspot direkt an der kirgisischen/chinesischen Grenze Sonne erhält, wappnen wir uns für den kommenden Tag. Nach zwei weiteren Dünnpfiffs ist auch Tania startklar. Also ab an die Grenze! China wir kommen! Bereits um 8.00 Uhr winkt uns der kirgisische Grenzbeamte zum Zollgebäude. Problemlos und eine Stunde früher als erwartet haben wir den Ausreisestempel in unserem Pass. Nun folgt die Chinesische Grenze... Und die befindet sich oben auf dem Hügel. Fünf Kilometer weiter weg... Bei der ersten Kontrolle checkt der chinesische Beamte unsere Pässe und warnt uns mit seinem Translator App vor den LKW Fahrer, die nicht sehr rücksichtvoll sind. Englisch sprechen die meisten Chinesen nämlich nicht... Dann erreichen wir das Immigration Gebäude: Formular ausfüllen, die grossen Gepäckstücke vom Fahrrad durch den Scanner lassen und ein paar Mal die gleichen Fragen beantworten. "Wo geht ihr hin, habt ihr eine chinesische Telefonnummer, welches Hotel?" In der Zwischenzeit werden unsere Pässe erneut kontrolliert. Doppelt hält besser... Und erst jetzt kommen wir zur richtigen Passkontrolle: Foto, Fingerprints. 1,5 Stunden nach Ausreise aus Kirgisistan haben wir den China Stempel im Pass! Juhuuu! War gar nicht so schlimm wie gedacht... Doch bevor wir losfahren: Nochmals Passkontrolle... Aber dann können wir wirklich starten und sagen:" Ni Hao China!"
Landschaftlich wunderschön und auf leeren, perfekt geteerten Strassen (eine Wohltat nach all den Rumpelpisten in Kirgisistan) pedalieren wir die ersten Kilometer im neuen Land. Im nächsten Dorf: Passkontrolle... Beim Wasserstopp: Passkontrolle. Ja, sie kontrollieren gerne Pässe hier. Und nie wissen sie was Switzerland ist... Geduldig lassen wir all die Stopps über uns ergehen. Dass China ein Überwachungsstaat ist, ist nichts Neues. Die Beamten sind aber immer sehr freundlich und bemüht, uns zu helfen. Sie machen einfach ihren Job und hier in China funktioniert das nun mal so... Auch wenn wir das nicht immer verstehen...
Unterdessen sind die Temperaturen wieder ins Unerträgliche gestiegen. Überall in China gilt Peking Time. Das heisst es ist zwei Stunden später als in Kirgisistan. In der sehr westlich gelegenen Xinjiang Region Chinas ist es darum bis 10 Uhr abends hell und um 10 Uhr morgens grillt man schon wie ein Hähnchen... Wir fahren durch die unerwartet einsame Landschaft bis 25km vor die Stadt Ulugchat - ah ja zuerst nochmals Paskontrolle- und schlagen etwas versteckt unser Zelt auf.
In Ulugchat müssen wir nochmals zum Custom. Aus irgendwelchen Gründen wird hier nochmals erstens -ratet mal- eine Passkontrolle durchgeführt und zweitens nochmals alles Gepäck gescannt. Dann radeln wir, nicht nur aufgrund des nahenden Gewitter auf schnellstem Weg und weiteren vier zeitraubenden Passkontrollen nach Kashgar.
Kashgar ist keine typisch chinesische Stadt. Sich liegt im uigurischen autonomen Bezirk in Xinjiang. Hier sind der grösste Teil der Bevölkerung muslimische Uiguren, ein Turkvolk, das seit jeher in der Region lebt. Sie sprechen untereinander kein chinesisch, sondern uigurisch und die Gesichtszüge der Menschen unterscheiden sich stark von denen der typischen Han-Chinesen. Die chinesische Regierung hat in Vergangenheit (bis jetzt in die Gegenwart) allerhand unternommen, um diese Bevölkerungsgruppe zu unterdrücken. Darum finden wir es mehr als fragwürdig, dass die komplette aus Lehm erbaute Altstadt mit ihren typischen muslimischen Elementen, wie einer Moschee und dem Bazaar, nun modernisiert und in eine chinesische Touristen Attraktion verwandelt wird. Trotzdem schlenden wir umher und tauchen ein in diese faszinierende, bunte, etwas zu künstliche, andere Welt, probieren von den unendlich vielen Köstlichkeiten und schauen den vielen Han Chinesen zu, die sich in chinesischer Tracht vor den neugemauerten Altstadtmauern fotografieren lassen. Denn hier im Touristenzemtrum gibt es vor allem eines: Tausende von Han-Chinesen.
Doch Kashgar hat noch andere Reize: Das Essen! Nach mehr als zwei Monaten in Zentralasien schmeckt uns die sehr abwechslungsweise chinesische Küche mit uigurischen Einflüssen umso mehr. Wir schlemmen uns quer durch die Gerichte und wissen nun, warum in den kleinen Supermärkten oft frische Zutaten fehlen. Warum selber kochen, wenn es im Restaurant so günstig und lecker ist...?! Nur das mit den Stäbchen muss uns noch einmal jemand erklären...
Nach zwei Nächten Grosstadt haben wir genug und entfliehen den Menschenmassen. Denn China ist nach Indien (1.45 Milliarden) mit 1.42 Milliarden Einwohner das bevölkerungsreichste Land der Welt... Mit der chinesischen Elektro Rollercrew fliessen wir mit dem Strom stadtauswärts. Der Verkehr nimmt aber auf dem Land nicht ab. Der Weg nach Tashkorgan ist bei den Chinesen als weiteres Touristen Highlight bekannt. Ab hier befindet man sich nämlich auf dem 1978 durch eine chinesische-pakistanische Zusammenarbeit fertiggestellten legendären Karakorum Highway, einer der höchsten Fernstrassen der Welt. Er führt entlang der Gebirge des Pamir, Karakorum, Himalaja und teilweise des Hindukuschs 1284km bis nach Havelian im Distrikt Abbottabad in Pakistan. Topmoderne Autos und fancy Campervans, elektobetrieben versteht sich, überholen uns im Sekundentakt. Die Dörfer auf dem Land sind im Gegensatz zu diesem Luxus auf vier Rädern, heruntergekommen. Und überall Abfall, der oft auch aus den Autofenstern der topmodernen Autos fliegt. Und so etwas nennt sich gebildet! Da ziehen wir es vor, direkt neben den Schafen, weit weg von all den Idioten, zu campen...
Am Bulung Köl erwartet uns der nächste Chinesen Schock. Nach mehr als 2000 Höhenmeter erreichen wir den wunderschöne See, der blass türkis in der Sonne glitzert und von schneebedeckten Gipfeln und einer Sanddüne umrahmt wird. Idyllisch... Wenn da nicht auch Tausende von chinesischen Touristen wären. Und ganz im China Style wird ein riesiges Theater verantstaltet. Drohnen fliegen, Selfisticks, Parkchaos, gehupe, gefilme, auf Yaks Reiten, auf Pferden reiten, schnell noch Garderobe wechseln, neu posieren, zwischendurch ein Atemzug Oxygen aus der Spray Flasche, die hier überall verkauft werden. Wir sind ja auch auf 3300m und befinden uns schon fast in der Todeszone... Auch wenn es hier wunderschön ist, wird uns das Ganze zu bunt und wir radeln nach dem Mittagessen weiter. Zumindest lecker kochen können sie, diese Chinesen.
Nach weiteren 350 Höhenmeter und 35 Kilometern erreichen wir den ebenfalls schönen Karakul Lake mit Sicht auf den 7509m hohen Muztag Ata. Auch hier ein chinesischer Zirkus... Also kehren wir um und finden am kleineren, etwas weniger spektakulären See einen ruhigen Campspot mit einer ebenso schönen Aussicht und einer willkommenen Abkühlung.
Nach einer stürmischen Nacht pedalieren wir die letzten 400 Höhenmeter hoch zum Pass, der sich auf knapp auf 4000m Meter befindet. Doch die für die Chinesen wortwörtlich atemberaubende schöne Aussicht auf den Muztag Ata (7509m) wird durch einen Betonklotz verschandelt. Eine Rolltreppe bringt die lauffaulen, kurzatmigen Chinesen ins Untergeschoss des Touristenkomplexes - Souvenirshopping- dann mit der Rolltreppe wieder hoch zur Aussichtsplattform - Foto knipsen - und in den Elektrobus hüpfen, der sie zurück zu ihrem Elektroauto bringt... Und falls das dann doch zu anstrengend ist: Sauerstoffflaschen gibt es auch hier in Unmengen zu kaufen... Wir amüsieren uns köstlich über dieses Theater und betrauern im letzten Akt die schöne Landschaft, die leider so komplett verschandelt wird...
Ab hier gehts abwärts. Und nach nur zwei weiteren Passkontrollen erreichen wir Taschkorgan. Ab hier kommen wir mit den Fahrräder nicht mehr weiter. Die Grenze zu Pakistan über den Kunjerab Pass ist nur mit dem Bus zu bewältigen. Oder anders gesagt: die Chinesen lassen uns aus irgendwelchen Gründen nicht selber fahren... Und da die Chinesen auch hier am Wochenende nicht arbeiten, verbringen wir einen zusätzlichen Pausentag in Taschkorgan, wo wir bei all den chinesischen Touristen etwas auffallen und selbst zur Touristen Attraktion werden...
Der Stadtname Taschkorgan stammt aus dem tadschikischen und bedeutet steinerne Stadt. Sie liegt im Norden des tadschikischen autonomen Kreises Tashkorgan in der Region Xinjiang. Die Einheimischen sind hauptsächlich Pamiris, nicht wirklich Chinesen. Die Stadt liegt im Vierländereck China, Pakistan, Afghanistan und Tadschikistan. Der Pamir Highway, den wir letztes Jahr gefahren sind (hier gehts zum Beitrag) ist nicht weit entfernt. Tadschiken und auch Pakistani, bei denen wir unsere letzten Yuan in pakistanische Rupien umtauschen könnnen, tummeln sich auf dem Platz. Nur die Überbleibsel des Forts (aus der Han Qing Dynastie vor 2200 Jahren), die chinesischen Touristen und das leckere chinesische Essen erinnern daran, dass das hier trotzdem immer noch China ist. Bei einem leckeren Bier auf dem Hosteldach mit Sicht auf die riesigen chinesischen Leuchtreklamen verbringen wir unseren letzten Abend in China, bevor wir nach Pakistan aufbrechen.
Der Bus nach Sost in Pakistan ist voll. Ganze acht Fahrräder müssen verladen werden. Neben uns sind auch Marielle und Henning, ein italienisches Paar und ein französisches Paar mit dem Fahrrad unterwegs. Es heisst Tetris spielen... Es dauert eine Weile, bis wir alles im Gepäckfach verstaut haben... Und nach 5km, am chinesischen Zoll muss alles wieder raus... Geschlagene drei Stunden dauert es, bis wir alle den Ausreise Stempel im Pass haben. Und dann geht das Tetris Spiel in die zweite Runde. Nur haben wir irgendwie diesesmal ganz unten einen groben Fehler gemacht. Das Fahrrad von Joos hat keinen Platz mehr. Er wird zu einem anderen Bus gebracht, indem chinesische Polizisten und Pakistanis mitfahren. Und plötzlich eilt es... Joos wird in den Bus gezerrt und Tania hat keine Wahl und muss hinterher. Sie hat nämlich Geld, Pässe und Essen im Rucksack. So fahren wir los Richtung Kunjerab Pass, der mit 4700m einer der höchsten Grenzübergänge der Welt ist. Ohne Tanias Fahrrad und das Gepäck, das immer noch im anderen Bus steckt...
Wir sagen Tschüss China. Wir haben von diesem riesigen Land nur einen winzigen Teil gesehen, der aufgrund der politischen Situation das richtige China nur durch das köstliche chinesische Essen widerspiegeln konnte. Unsere Gefühle sind darum gemischt. Die Xinjiang Region ist kontrovers. Die Beamten sind Han Chinesen, der Grossteil der Bevölkerung gehört jedoch einer anderen Ethnie an, spricht eine andere Sprache und lebt eine andere Kultur. Und das wird nicht überall toleriert... Und dann all die Han Chinesen, die die Region als Touristen überfluten. Wer schon mal mitten in einer Chinesen Gruppe auf dem Gornergrat gestanden hat, weiss wovon wir sprechen...
Ob wir, Tanias Fahrrad und unser Gepäck auch wirklich in Pakistan ankommen, erzählen wir euch das nächste Mal.
Reisedaten 5.8 - 12.8.2024
Kommentar schreiben
Winkler Bruno (Mittwoch, 28 August 2024 17:29)
Eifach nome Wow
extrem schön, i liebe das Ässe, i hoffe er hebet Zyt gha förne Coch- Crash Kors
Frau Traut (Dienstag, 15 Oktober 2024 09:50)
Hey habibiiiis hoffe es geht euch gut. Freuen uns schon auf den nächsten Report.