Wir lassen den chinesischen Kontrollstaat hinter uns und reisen weiter in ein Land, das im Westen nicht den besten Ruf hat. Wie Man(n) und Frau das sehr islamisch geprägte Pakistan erleben, erfahrt ihr hier.
Pakistan! Hier sind wir also. Auf dem Kunjerab Pass, der physischen Grenze, winken uns zahlreiche Chinesen mit chinesischen Flaggen auf Wiedersehen. Doch der Zoll, wo all der Papierkram erledigt wird, befindet sich erst im 70km entfernten Sost und auf den miserablen pakistanischen Strassen - ein kleiner Vorgeschmack, auf das was uns noch erwartet - dauert die Fahrt eine Ewigkeit.
Auf dem Grenzbüro sitzt ein älterer Herr in einem traditionellen Dalwar Kameez (Pluderhose mit langem Hemd darüber) und Zigarette im Mund. "Welcome to Pakistan", Stempel in den Pass, fertig... Gepäckkontrolle entfällt... Wir sind offiziell in Pakistan!!! Zumindest ein Teil von uns. Tanias Fahrrad und das Gepäck stecken immer noch im anderen Bus fest und der lässt noch weitere zwei Stunden auf sich warten... Als wir endlich unsere sieben Sachen zusammen haben, pedalieren wir unsere ersten Meter in Pakistan und finden in einem abgelegenen Guesthouse, inmitten von Aprikosenbäumen, einen schönen Platz, um uns von diesem anstrengenden Grenzmarathon zu erholen...
Die Sonne geht früh auf in Pakistan. Um 5 Uhr ist Tagwacht. Motiviert packen wir zusammen und treten in die Pedale. Wir sind auf dem Karakorum Highway, ein Traum wird wahr! Die Strasse beginnt eigentlich bereits in Kashgar (China). Aber erst hier in Pakistan inmitten der schroffen Berge und vergletscherten Gipfel, alle zwischen 6000 und 7000 Meter hoch, haben wir das Gefühl, auf einer der höchsten Strassen der Welt angekommen zu sein. Kaum zu glauben, dass uns die Temperaturen entlang des Hunza Rivers zur gleichen Zeit fast grillen... Wir kreuzen die ersten bunten, für Pakistan typischen Trucks, die jeder Eigentümer individuell verziert, pedalieren an unendlich vielen Aprikosen- und Äpfelbäumen vorbei und tauchen ein in diese wunderschöne Welt der Region Gilgit-Baltistan.
Die erste Attraktion sind neben den wilden Gipfeln der Passu Cones das Chapsuro (traditionelles Hunza Gericht) im berühmten Glacier View Restaurant sowie dessen Aprikosenkuchen! Denn Aprikosen werden im Hunza Tal im grossen Stil kultiviert und ihr Geschmack ist einfach unvergleichbar! Weiter folgt die spektakuläre Passu Hänge Brücke über den Hunza River, die definitv nur für schwindelfreie Leute zu empfehlen ist. Bei jedem zweiten Tritt haben wir uns gefragt, ob diese brüchigen Holzleisten wohl halten...Augen zu und durch, nur nicht runter schauen...
Als es gegen Abend etwas abkühlt, machen wir uns an den finalen, extrem steilen Aufstieg hoch zum Passu Gletscher. Zwischen den im goldenen Abendlicht leuchtenden Gipfeln der Passu Cones und dem zerklüfteten Passu Gletscher stellen wir unser Zelt auf. Oh wie schön du bist, Pakistan!
Pakistan ist definitiv kein Land für Morgenmuffel... Kaum ist die Sonne da, klettern die Temperaturen wieder auf Saunaniveau... Deshalb unternehmen wir bereits frühmorgens eine schöne, einsame Wanderung entlang des imposanten Passu Glaciers und wagen uns auf die etwas touristischere Husseini Bridge, bevor wir wegen der Hitze wieder wabbelige Beine bekommen und unsere Körper nach Mittagessen schreien.
Am Nachmittags steigen die Temperaturen wieder weit über 30 Grad und die Strassen füllen sich, Autos mit Pakistani Flagge überholen uns. Heute ist Nationalfeiertag (Pakistan hat die Unabhängigkeit von der Kolinialmacht Indien am 15.8.1947 erhalten) und die meisten treffen sich am Attabad Lake. Der See, der bei einem Erdrutsch 2010 entstand, ist nun eine Touristenattraktion mit Booten, Jetski und Zip Line und überschattet so die Tragödie, die ganze Dörfer und einen Teil des Karakorum Highways vernichtet und einigen Menschen das Leben gekostet hat. Wir mischen uns unters Volk, das heisst Tania zu den Frauen und Joos zu den Herren. Die Geschlechtetrtrennung wird in Pakistan eingehalten, obwohl die Region Hunza (der nördliche Teil von Gilgit-Baltistan), schon fast als liberal bezeichnen werden könnte und Frauen in der Öffentlichkeit keine Seltenheit sind.
Immer noch halbwach, fahren wir am nächsten Morgen weiter. Ein paar ziemlich lange Tunnels ohne Beleuchtung machen den Tag wieder zur Nacht... Black Hole sagen wir nur... Nach den Tunnels sieht man erst wie spektakulär erstens die Landschaft ist und zweitens sich die Strasse durch diese eigentlich unpassierbaren Felswände schlängelt. Einige Teile sind durch Felsstürzen halb verschüttet, die Instandhaltung muss ungeheur mühsam sein!
Wir erreichen Karimabad. Das Dörfchen hat eine grosse Auswahl an Restaurants, ist belebter und sagen wir mal touristischer als die bisherigen. Grund ist das Baltit Fort, geschätzte 800 Jahre alt und einst Sitz des König von Hunza. Auch das 500 Meter höher gelegene Eagles Nest, von wo aus man wortwörtlich einen tollen Adlerausblick über das Hunza Tal und die Giganten der Karakorum Range: Rakaposhi (7788m), Lady Finger (6000m), Hunza Peak (6270m), Ultar Sar (7388m) und den riesigen Hopper Gletscher hat, zieht einige lokale Gäste an, die uns ständig freundlich fragen "Do you like Pakistan?" Noch vor 9/11 wurde besonders der Norden oft von internationalen Touristen besucht, die sich in der spektakulären Bergwelt austoben konnten. Heutzutage sind es jedoch hauptsächlich (reiche) einheimische Touristen aus der Region Punjab, die in den Sommermonaten ihre Ferien hier verbringen. Die Schreckensmeldungen in den westlichen Nachrichten halten Ausländer oft von einer Reise ab. Mit der Aufhebung des Visas, die am 15.8.24 in Kraft trat (und wir so leider knapp verpasst haben was uns 90 Franken pro Person kostete...), will die Regierung wieder vermehrt internationale Touristen ins Land holen und diesen Wirtschaftszweig neu erschliessen. Um dem Rummel zu entkommen suchen wir etwas weiter entfernt einen schönen, einsamen Platz, stellen unser Zelt auf und geniessen die spektakuläre Aussicht mit einer pakistanischen Bünder Nussrorte, die wir bei einem unserer Interviews geschenkt bekommen haben.
Bilder Baltit Fort
Nach einer regnerischen Nacht unternehmen wir tagsdarauf eine Wanderung zum View Point des Ultar Sar und sehen den Nebelschwaden zu, die sich mystisch um den Ladyfingerpeak ranken, bevor wir weiter ins Nachbarsdorf Aliabad ins Nomad Home Hostel pedalieren. Dort machen wir gemeinsam mit Margot und Julien, den beiden Radler aus Frankreich, zwei Tage Pause, geniessen diese kleine Wellnessoase und mischen uns im Städtchen unter die hauptsächlich männlichen Einheimischen. In Pakistan wird nämlich so ziemlich alles von Männern verrichtet. Sei es Näharbeit, Verkäufer, Bäcker, Schmied oder Metzger. Im Berufsleben haben Frauen leider nach wie vor Nichts zu suchen.
Bilder Wanderung Ultar Sar View Point
Bilder Aliabad
Ausgeruht und wohlgenährt machen wir uns anschliessend auf den Weg nach Minapin. Das Dörfchen befindet sich bereits im Distrikt Nagar. Nagar und Hunza waren einst zwei Königreiche, wie uns Nasir, der junge Kellner des Osho Tang Hotels, wo wir unser Zelt im Garten gratis aufstellen dürfen, erklärt. Die Unterschiede der Regionen sind offensichtlich. Haben wir in Hunza noch ab und zu Frauen auf den Strasse angetroffen, sind sie hier aus dem öffentlichen Leben verschwunden oder komplett verschleiert. Tania fällt in dieser männerdominierten Welt ziemlich auf, wird als westliche Touristin aber stets freundlich und zuvorkommend behandelt. Nasir findet die Verbannung der Frau aus dem öffentlichen Leben in Ordnung, es war ja schon immer so. Er erzählt uns von seinen Träumen, hofft bald zu heiraten und sein eigenes Tourismusbusiness zu eröffnen... Ansonsten ist er zufrieden und weist darauf hin, dass sie hier sogar Elektrizität und fliessend Wasser haben. Während er spricht, leuchtet er mit seiner Handykamera auf unsere Teller, weil nach dem Gewitter wieder einmal der Strom ausgefallen ist... Es ist eine andere Welt und es sind bescheidenere Träume...
Gestärkt mit einem bombastischen Frühstück machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg zu einem von unseren Träumen. Wir wollen zum Rakaposhi Basecamp auf 4150m. Mit den Mountainbikes. Ohne Gepäck. Und bereits im strengen Aufstieg lässt sich erahnen, dass die Mühe nicht umsonst sein wird! Die Aussicht auf den Minapin Gletscher, den Ostgipfel des gigantischen Rakaposhi und den Dinar sind trotz Wolkenmeer unvergesslich. Ebenso wie der Downhill. 1500 Tiefenmeter in Perfektion. Entlang des Gletschers, durch die dörre Graslandschaft und den Wald fühlt es sich an wie fliegen und die Pakistanis feiern uns wie kleine Helden.
Bilder Biketour Rakaposhi Basecamp
Wir pedalieren weiter südwärts auf dem Karakorum Highway. Kinder am Strassenradrand rufen freundlich "Hello, how are you?" Jungs UND Mädels (was uns doch sehr erstaunt), sind bekleidet mit ihrer Schuluniform auf dem Weg in die Schule. Nach einem Zwangsstopp wegen eines durch einen Felssturz verschütteten Tunnels erreichen wir in der tropischen Mittagshitze Gilgit, die Hauptstadt von Gilgit Baltistan. Ein Gewusel von Tuktuks, freilaufenden Tieren, Motorräder, Busse, Gehupe, Verkehrchaos, Gerüche, Stimmengewirr, Abfallbergen...Und jede Menge Männer... Eine Grossstadt eben, einfach in Pakistani Style...
Wir folgen dem Karakorum Highway weiter südwärts bis zur Abzweigung Skardu und zum Punkt, wo sich die drei gigantischen Bergketten, der Hindukush, der Karakorum und der Himalaja, treffen. Hier finden wir nach über 100km Strecke einen geeigneten Platz für unser Zelt und warten auf die Abkühlung, die nie kommt....
Am nächsten Morgen erhaschen wir einen kleinen Ausschnitt des mehr als 8000 Meter hohen Nanga Parbat, den sogenannten Schicksalsberg der Deutschen. Viele Bergsteiger haben bei dessen Besteigung und auf der Suche nach Ruhm ihr Leben gelassen, was dem Berg auch (zu Unrecht) den Beinamen "Killer Mountain" beschert hat. Wir widmen uns hingegen der Killer-Strasse. Eingekeilt zwischen den beiden Bergmassiven des Karakorum und Himalaja musste sie fast unmöglich in die steilen Felswände oberhalb des Indus geschlagen werden. Der sagenumwobenen Fluss entspringt in Tibet in der Nähe des heiligen Berges Kailash und ist hier, wo er seinen nördlichsten Punkt erreicht, bereits seit über 1000km unterwegs. Seine Wassermassen fressen immer mehr von der Strasse weg. Dennoch herrscht reger Verkehr. Es ist die einzige Verbindung Richtung Konkordia Platz und mit K2, Broad Peak und Gasherbrum einigen der höchsten Berge der Welt. Truck-, Auto und Motarradfahrer winken uns zu, hupen und nicht wenige halten an und wollen ein Selfie mit uns. Oder laden uns zum Chai ein...oder zum Essen... oder schenken Joos einen Schal... Die Gastfreundschaft wird auch hier, wie in fast allen islamischen Länder, grossgeschrieben.
Wir erreichen Skardu. Durch das Chaos und den Lärm der Stadt kämpfen wir uns zurück in die unberührte Natur. Bei dem Cold Desert (Sarfaranga Desert), etwa 17km ausserhalb, stellen wir unser Zelt auf. Direkt neben wunderschönen Sanddünen, die unwirklich wirken in der kargen Berglandschaft. Und als die Jungs der nahegelegen Shootingrange endlich Feierabend machen, können wir neben dem fantastischen Anblick auch die wohltuendene Stille hier draussen geniessen...
Zurück in der Stadt sind die Strassen unerwartet leer. Nur unzählige Honda Euro 2 Töffli stehen herum. Irgendwann beginnt der Muezzin zu singen und dann fluten Menschenmassen auf die Strasse mit der Frage :"Hey Mann, wo ist mein Töffli?" Es ist Freitag und die traditionellen Friday Prayers haben gerade stattgefunden. In all den Menschenmassen sehen wir genau eine Frau, eine Touristin aus Kanada... Wir schlendern durch die Strassen der Stadt, die sich nun langsam wieder mit testosteron angereichertem Leben füllen und erkämpfen uns den steilen Weg hoch zum Kharphocho Fort. Die Aussicht über die Stadt, den Indus und das Skardu Tal ist bezaubernd. Wir verweilen bis zum Sonnenuntergang und feiern ein Wiedersehen mit Claudio aus der Schweiz, den wir auf unserer Reise bereits in Athen, in Tiflis und in Dushanbe getroffen haben. Manche Wege kreuzen sich glücklicherweise immer wieder!
Für unseren Ausflug zum Masur Rock mieten wir einen von den geschätzt einer Milliarde Honda Euro 2 Töffli in Pakistan. Und erwischen das Luxus Modell mit einer nicht wirklich funktionierender Kupplung - gemäss Vermieter in perfektem Zustand... Nachdem Joos endlich den Dreh raus hat, bringt uns das Töffli 600 Höhenmeter auf einer sandigen, spuligen Piste aufwärts bis zu einem idyllischen Dörfchen. Von dort geht es auf Schusters Rappen weiter bis zum Masur Rock. Wie eine Zunge ragt der Fels über das Tal und wir fühlen uns ein bisschen wie die Könige der Welt, als wir 1000 Meter über dem Talboden schwebend die Aussicht von hier oben geniessen dürfen. Einfach atemberaubend schön!
Nach dem Abstieg werden wir im Dörfchen unerwartet zu einer Geburtstagsparty eingeladen. Wir sitzen mit den Herren des Hauses am Boden und essen Reis, Naan, Lassi, Tee und ein Schenkelidessert. Frauen gibt es auch irgendwo, Gesellschaft leisten sie uns aber nicht und es versteht sich von selbst, dass sie auch auf unserem Erinnerungsbild nicht vertreten sind...
Wir fahren zurück nach Skardu und nach einer Stunde auf der Honda Euro 2 schmerzen unsere Füdlis mehr als nach einem ganzen Tag Fahrrad fahren...
Am nächsten Tag packen wir unsere Sachen und machen uns auf den Weg in den bezaubernden Deosai Nationalpark. Einmal mehr gilt es ein paar steile Höhenmeter zu bewältigen, insgesamt 2000 werden es bis Tagesende, bevor wir das unberührte Deosai Plateau auf 4000m erreichen. Im Park soll es neben den unzähligen goldgelben Murmeltieren sogar Wölfe und Himalaja Braunbären geben. Eine weitere seltene Spezies sind die wenigen einheimischen Touristen, die uns immer um ein Selfie bitten, uns Fanta und Kekse schenken und mit uns quatschen wollen. Irgendwie verstehen sie nicht, dass wir nicht an der steilsten Stelle anhalten möchten...
An einem wunderschönen Ort, direkt neben dem Bächlein, das kunstvoll durch die Ebene mäandert, stellen wir unser Zelt auf und geniessen die bezaubernde Abendstimmung bei ungewohnt kühlen Temperaturen. Dann kuscheln wir uns in unsere warmen Schlafsäcke und fallen in einen tiefen Schlaf. So tief, dass wir den nächtlichen Besucher, der alle unsere 200 Meter vom Zelt verbuddelten Vorräte, inklusive spicy Gewürzen, verputzt und als Dankeschön einen Kackhaufen hinterlässt, gar nicht bemerken. Es gibt sie also wirklich, die Himalaja Braunbären... Bleibt zu hoffen, dass er nach seiner Fressorgie keinen Durchfall bekommt...
Etwas unter Schock und nun ohne Proviant pedalieren wir am nächsten Morgen weiter und sind dankbar, dass wir klug genug waren, unsere Vorräte nicht im Zelt zu lagern... Der Himalaja Braunbär ist zwar anscheinend Vegetarier, aber aus nächster Nähe möchten wir ihm trotzdem nicht begegnen. Nun müssen wir uns an die eingezeichneten Camps halten und dort nächtigen, damit wir etwas zu Essen bekommen. Auf einem Hügel mit wunderschöner Aussicht auf den Shausar Lake schlagen wir unser Zelt am frühen Nachmittag auf, beobachten wie die bunt gekleidetetn Nomaden aus Kashmir ihr Hab und Gut zur nächtsten Weide transportieren, lassen uns von den Jungs des Tentcamps köstlich bekochen und warten vergebens darauf, dass sich die Wolken lichten... Den irgendwo hinter der grauen Schicht versteckt er sich: Die imposante Südfklanke des Nanga Parbat...
Die Landschaft gleicht immer mehr einem Tal in der Schweiz mit wunderschönen Föhren und einem kristallklaren Flüsschen. Doch die Idylle trügt. Es ist eine Wetterverschlechterung mit Starkregen angesagt... Was nichts Gutes verheisst. Eine Milliarde Steine sind prädestiniert jederzeit auf die Strasse zu poltern... Wir beschliessen, das Tal schnellsmöglich zu verlassen und treten kräftig in die Pedale.
Just in dem Moment, in dem wir den Karakorum Highway wieder erreichen, setzt der Regen ein. Und er stoppt die nächsten zwei Tage nicht. Die Strasse ins Chillum Tal, sowie Teile des Karakorum Highways bleiben wegen Steinschlägen gesperrt und wir sitzen im Hotel Nanga Parbat View, nur momentan ohne View, in Telichi fest... Der Strom ist weg, fliessend Wasser aufgrund einer beschädigten Wasserleitung ebenfalls. Doch die Pakistanis nehmen es gelassen. So ist das nun mal hier. Als kleine Abwechslung trampen wir mit einem der farbenfrohen pakistanischen Trucks nach Juglot und mischen uns unter die sehr skeptischen Einwohner. Nur die gestrandeten Truckerfahrer, für die wir eine willkommene Abwechslung während der ganzen Warterei sind, sind etwas gesprächiger.
Nach zwei Tagen bessert sich zwar das Wetter, Joos Verdauung hingegen verschlechtert sich... Also bleiben wir einen weiteren Tag im Nanga Parpat View Hotel, weiterhin ohne View...Inzwischen konnte wenigstens der Karakorum Highway geräumt werden und es gibt endlich wieder Strom! Gesellschaft leistet uns ein sehr liberalen pakistanischen Pärchens, das eine Handnespresso Maschine (!!!) dabei hat und mit seiner Einstellung und Outfits definitiv als hippe Zürcher hätte durchgehen können.
Nachdem Joos halbwegs wieder auf den Beinen ist, fahren wir ohne Fahrräder mit einem Jeep Richtung sogenannter Märchenwiese, dem Ausgangspunkt um das Nanga Parbat Basecamp zu erreichen. Die Strasse dorthin ist zwar eher wie aus einem Horrorfilm und ein Fahrfehler würde in einem Drama enden... Auch die Fairy Meadows sind nicht ganz so märchenhaft. Der Tourismus hat hier in unzähligen übertriebenen neuen Guesthouses seine hässlichen Spuren hinterlassen. Wir kehren der überbauten und vermüllten Wiese den Rücken und wandern am Gletscher entlang und durch die von Föhrenwälder geprägte Berglandschaft weiter aufwärts, bis wir einen geeigneten Campspot abseits der Lodges finden.
Ungewollt haben wir den wohl schönsten Platz gewählt. Der Nanga Parbat, von den Einheimischen auch Diamir genannt, thront im goldenen Morgenlicht direkt vor unserem Zelt. Motiviert machen wir uns auf den Weg zum Nanga Parpat Basecamp. Wir treffen keine Menschenseele. Nur das Knacken und Knarzen des imposanten Gletscher begleitet uns auf unserem Aufstieg.
Das Basecamp ist verlassen. Die Bergsteigersaison findet hier im Winter statt. Der neunt höchste Berg der Welt, der einzige 8000er Pakistans, der Teil des Himalaya Gebirge ist, wurde von Hermann Buhl, einem Österreicher, 1953 zum ersten Mal bestiegen. Wenn man diese immense vergletscherte Wand sieht, scheint das fast unmöglich. Wir hingegen erklimmen nur die auf 4500m hohe Great Moraine, wo das Camp 1 normalerweise errichtet wird. Und hier recken wir unsere Köpfe gegen den Himmel. Es sind immer noch über 3500m bis zum 8126m hohen Gipfel. Kaum vorstellbar...
Wir laufen über den verschütteten Gletscher zurück zu unserem Zelt und steigen nach einem wärmenden Tee mit Margot und Julien, die wir erneut per Zufall treffen, weiter ab. Am nächsten Morgen treffen wir unseren Jeep Fahrer, der tatsächlich und sogar eine halbe Stunde zu früh am vereinbarten Treffpunkt erscheint und nehmen erneut den angsteinflössenden Jeepride und eine Mitfahrgelegenheit in einem Truck auf uns, um zurück zum Hotel und unseren Fahrräder zu gelangen.
Wir gehen zu Fuss Richtung Walled City, der Altstadt. Es gibt so viel zu bestaunen. So viele Begegnungen. So viel Essen zu probieren. So viel Ungewohntes. Wir stolpern und quetschen uns wortwörtlich durch den geschäftigen Bazaar. Alles wird hier von Hand gemacht. Und als Westler fällt man definitiv auf... Vor allem als Frau... Die Menschen sind freundlich, neugierig und beschenken uns mit Brot, Tee, Wasser, Früchten oder einer ganzen Mahlzeit. Überall werden wie wie langersehnte Gäste willkommen geheissen.
Wir kämpfen uns durch bis zur berühmten Badshahi Moschee und dem Lahore Fort. In der Anlage ist es, im Gegensatz zu den Strassen rundherum, angenehm ruhig und entspannt. Die anmutende Badshahi Moschee, gebaut aus rotem Ziegelstein mit drei in den dunstigen Himmel thronenden weissen Kuppeln ist die zweitgrösste Moschee Pakistans und eine der grössten der Welt. Barfuss gehen wir über den heissen roten Boden und lassen uns in eine andere Welt entführen. Zu Gebetszeiten erklingt der melodische Singsang des Muezzin und lässt die heisse Luft vibrieren. Auch das Fort steht halbverlottert als Zeitzeuge einer anderen Epoche, als Lahore noch in vollem Glanz erstrahlte. Es wurde von den vielen Eroberern und Besatzer Pakistans jeweils unterschiedlich genutzt und jede Herrschaft, seien es nun die Mogulen, die Sikhs oder die Briten haber hier ihre Handschrift hinterlassen.
So viele Eindrücke! Das Leben und das Elend der Stadt sind schwer zu begreifen und nicht vergleichbar mit dem eher ländlichen und ruhigen Norden. Nun wird es Zeit weiterzuziehen. Pakistan hat uns in vielerlei Hinsicht fasziniert. Nirgends waren die Berge bisher imposanter, nirgends die Städte chaotischer, nirgends die Trucks bunter, nirgends der Islam präsenter, die Frauen hingegen weniger... Viele Dinge werden wir nie verstehen. Und doch wurden wir noch in keinem Land so herzlich bewirtet. Nirgends hatten wir so schöne Begegnungen. Nirgends waren die Menschen neugieriger. Nirgends hilfsbereiter. Und vielleicht auch nirgends toleranter. Vor allem im etwas weniger strikten Norden... Denn die Frauen spielen leider im Grossteil des Landes eine untergeordnete Rolle und sind in der Öffentlichkeit (ausser in Hunza) leider höchstens verschleiert zu sehenPakistan hat definitv viel mehr zu bieten, als schlechte Schlagzeilen. Der westliche Tourismus lässt immer noch etwas auf sich warten aber für uns ist klar, dass wir eines Tages zurückkehren werden. Fürs erste sagen wir aber: Danke und Tschüss Pakistan. Es was ZABARDAST (Urdu für grossartig) hier!!!
Wie es nun weitergeht und welche Herausforderungen auf uns warten, erfahrt ihr beim nächsten Mal.
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